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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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Mir schauderte bei dem Gedanken an diese Lebensvorgänge, abgenützt, wie sie durch einundachtzig Jahre ständigen Funktionierens sein mochten, im Kampf mit unbekannten Mächten, vor denen der jüngste und stärkste Organismus wohl Angst haben könnte, aber ich überlegte mir im nächsten Augenblick, daß Träume eben nur Träume sind und daß diese ungemütlichen Gesichter höchstens die Reaktion meines Onkels auf unsere Untersuchungen und Erwartungen sein konnten, die in letzter Zeit unseren Geist ausschließlich in Anspruch genommen hatten.
    Die Unterhaltung trug noch dazu bei, meine seltsamen Empfindungen bald zu zerstreuen, nach einiger Zeit gab ich meiner Müdigkeit nach und legte mich meinerseits zum Schlafen hin. Mein Onkel schien nun hellwach und war bereit, seine Wache anzutreten, obwohl ihn sein Alptraum lange vor den ihm zustehenden zwei Stunden geweckt hatte. Der Schlaf ergriff sofort Besitz von mir, und ich wurde sogleich von Träumen der aufregendsten Art heimgesucht.
    Ich empfand in meinen Traumgesichten eine komische und abgründige Verlorenheit, während Feindseligkeit von allen Seiten auf das Gefängnis eindrang, in dem ich eingesperrt war. Ich schien gefesselt und geknebelt zu sein und wurde von den widerhallenden Schreien einer entfernten Menschenmenge verhöhnt, die nach meinem Blut dürstete. Das Gesicht meines Onkels erschien mir in weniger erfreulichem Zusammenhang als im Wachzustand, und ich erinnerte mich vieler vergeblicher Kämpfe und Versuche zu schreien. Es war kein erholsamer Schlaf, und eine Sekunde lang bedauerte ich nicht, daß der widerhallende laute Schrei, der durch die Grenzen des Traumes hindurchhieb, mich zu einer geschärften und erschreckten Wachsamkeit hochriß, in der jeder Gegenstand vor meinen Augen sich mit übergroßer Schärfe und Wirklichkeit abhob.
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    Ich hatte mit dem Gesicht vom Stuhl meines Onkels abgewandt dagelegen, und in diesem blitzartigen Erwachen sah ich zunächst nur die Tür zur Straße, das etwas nördlicher gelegene Fenster, die Wände und den Boden sowie die Decke an der Nordseite des Raumes, all das war in krankhafter Eindringlichkeit in einem Licht, heller als das Leuchten der Schwämme oder die Lichtstrahlen von draußen, in meinem Gehirn eingeprägt. Es war kein starkes oder nur annähernd starkes Licht, bestimmt bei weitem nicht stark genug, um ein Buch zu lesen.
    Aber es warf meinen und den Schatten des Feldbettes auf den Boden und hatte eine gelbliche durchdringende Energie, die auf Dinge hindeutete, die wirksamer waren als Leuchtkraft. Ich nahm dies mit unnatürlicher Schärfe wahr, trotz der Tatsache, daß zwei meiner Sinne heftig, angegriffen wurden. Denn in meinen Ohren widerhallte noch dieser gräßliche Schrei, während meine» Nase sich gegen den Gestank empörte, der den Ort erfüllte. Mein Geist, genauso wach wie meine Sinne, erkannte das außerordentlich Ungewöhnliche, und ich sprang beinah automatisch auf und wandte mich um, um nach den Vernichtungsinstrumenten zu greifen die wir auf den Moderfleck vor dem Herd gerichtet hatten. Als ich mich umdrehte, hatte ich Angst davor, was ich erblicken würde, denn es war mein Onkel, der geschrien hatte, und ich wußte 147
    nicht, gegen welche Bedrohung ich ihn und mich würde verteidigen müssen, Dennoch war der Ausblick noch schlimmer, als ich fürchtet hatte. Es gibt ein Grauen, das über Grauen hinausgeht, und dies war einer der Kernpunkte aller erträumbaren Scheußlichkeiten, die der Kosmos sich aufspart, um einige wenige Verfluchte und Unglückliche zu vernichten. Aus dei schwammverseuchten Boden stieg ein dampfförm iges Leichenlicht, gelb und krank, das Blasen warf und zu gigantischer Höhe emporschlug, in Umrisse, die halb menschlich, halb die eines Ungeheuers waren, durch die ich den Kamin und Herd dahinter erkennen konnte. Es bestand fast nur aus Augen
    −wolfsähnlich und höhnisch −, und der runzelige, insektengleiche Kopf löste sich nach oben in einen dünnen Nebelstrom auf, der sich übelriechend kräuselte und schließlich im Kamin verschwand. Ich sage, daß ich das Ding sah, aber erst in der bewußten Rückschau konnte ich seine verdammte Gestaltähnlichkeit mit Sicherheit feststellen. Zu jener Zeit war es für mich lediglich eine wogende, düster phosphoreszierende Wolke schnell emporschießender Abscheulichkeit, die das einzige Objekt, auf das all meine Aufmerksamkeit gerichtet war, einhüllte und sich in grauenhafter Verwandlung auflöste. Dieses Objekt war mein Onkel

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