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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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Vergehen sind so verschieden, wie die Dialekte der Gegend, und durchlaufen die Skala vom Rumschmuggel zu unerwünschten Ausländern, durch die verschiedenen Stadien von Gesetzlosigkeit und heimlichem Laster zu Mord und Verstümmelung in ihren abstoßendsten Formen. Daß diese sichtbaren Affären nicht häufiger sind, ist nicht das Verdienst der Umgebung, wenn die Kunst des Verschleierns nicht eine Kunst ist, der Verdienst gebührt. Es kommen mehr Leute nach Red Hook, als es verlassen − oder, die es zum mindesten auf dem Landwege verlassen −
    und die, welche nicht geschwätzig sind, haben die größte Aussicht, es wieder zu verlassen. Malone entdeckte in diesem Stand der Dinge den kaum merklichen Gestank von Geheimnissen, die schrecklicher sind als einige der Sünden, die von den Bürgern gebrandmarkt und von Priestern und Philanthropen bejammert werden. Er war sich, wie jemand, der Phantasie mit wissenschaftlichen Kenntnissen verbindet, bewußt, daß moderne Menschen unter gesetzlosen Bedingungen unweigerlich dazu neigen, die dunkelsten Instinktvorbilder primitiver Halbaffenwildheit in ihrem täglichen Leben und ihren rituellen Feiern zu wiederholen, und er hatte oft mit dem Abscheu des Anthropologen den singenden, fluchenden Prozessionen triefäugiger und pockennarbiger junger Männer zugesehen, die sich in den dunklen frühen Morgenstunden dahinschlängelten. Man sah ständig Gruppen dieser jungen Leute, manchmal standen sie lauernd an Straßenecken Wache, ein andermal in Torbögen, wo sie seltsam auf billigen Musikinstrumenten spielten, manchmal dumpf vor sich hindösend oder unanständige Zwiegespräche rund um den Tisch eines Selbstbedienungsrestaurants in der Nähe von Borough Hall führend und manchmal in geflüsterter Unterhaltung um schäbige Taxi herum, die an den hohen Freitreppen verfallener alter Häuser mit geschlossenen Fensterläden vorgefahren waren. Sie erschreckten und faszinierten ihn mehr, als er gegenüber seinen Mitarbeitern bei der Polizei sich zuzugeben getraute, denn er schien in ihnen den riesigen Faden geheimer Unendlichkeit zu sehen, irgendein 39
    bösartiges, geheimnisvolles, uraltes Vorbild, das völlig jenseits und unter der Menge unerfreulicher Tatsachen sowie den Gewohnheiten und Aufenthaltsorten lag, die mit solch gewissenhafter technischer Sorgfalt von der Polizei notiert werden. Sie müssen, so fühlte er innerlich, Erben irgendeiner schrecklichen und urzeitlichen Tradition sein; die Teilhaber entarteter und zerbrochener Reste von Kulten und Zeremonien, die älter sind als die Menschheit. Ihr Zusammenhalten und ihre Eindeutigkeit ließen daran denken, und es zeigte sich in der einzigartigen Andeutung von Ordnung, die sich unter ihrer schmutzigen Unordnung verbarg. Er hatte nicht umsonst Abhandlungen wie Miß Murrays Witch Cult in Western Europe (Hexenkult in Westeuropa) gelesen, und er wußte, daß bis in die letzte Zeit unter den Bauern und dem heimlichen Volk ein schreckliches und geheimes System von Versammlungen und Orgien überlebt hatte, das auf dunkle Religionen vor der Zeit der Indogermanen zurückgeht, die in volkstümlichen Legenden als schwarze Messe und Hexensabbat auftauchen.
    Daß diese höllischen Wurzeln alter turanisch−asiatischer Magie und Fruchtbarkeitskulte jetzt völlig tot seien, nahm er nicht einen Augenblick an, und er wunderte sich häufig, wieviel älter und schwärzer als die schlimmsten der gesammelten Erzählungen manche von ihnen sein könnten.
    III
    Es war der Fall Robert Suydam, der Malone mitten in die Dinge in Red Hook hineinversetzte. Suydam war ein gelehrter Eigenbrötler aus alter holländischer Familie, die ursprünglich kaum genügend Mittel besessen hatte, er war der Bewohner eines zwar geräumigen, aber schlecht erhaltenen Wohnsitzes, den sein Großvater in Fiatbush errichtet hatte, als diese Siedlung wenig mehr als eine gefällige Gruppe Kolonialhäuser war, die sich um die efeubewachsene reformierte Kirche mit ihrem eisengeländerumgebenen Hof und niederländischen Grabsteinen drängten. In seinem einsamen Haus, das ein wenig von der Martense Street zurück inmitten eines Hofes mit ehrwürdigen Bäumen stand, hatte Suydam seit über sechzig Jahren gelesen und gegrübelt, mit Ausnahme einer Zeit, die eine Generation zurücklag, als er sich per Schiff in die Alte Welt begeben hatte und dort acht Jahre verschwunden blieb. Er konnte sich keine Dienstboten leisten und sah in seiner völligen Einsamkeit nur wenige Besucher, indem er alte

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