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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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Geisteskrankheiten ihm den Anblick derartiger Dinge auf unbestimmte Zeit untersagten. Ein Polizeichirurg, der in Chepachet Verwandte hatte, schlug den malerischen Weiler aus hölzernen Kolonialstil−Häusern als idealen Ort für seelische Erholung vor; der Leidende hatte sich dorthin verfügt, nachdem er 36
    versprochen hatte, sich nie in die mit Ziegelhäusern bestandenen Straßen größerer Gemeinden zu begeben, bis es ihm der Spezialist in Woonsocket, mit dem er sich in Verbindung gesetzt hatte, erlauben würde. Sein Spaziergang nach Pascoag, um Zeitschriften zu holen, war ein Fehler gewesen, und der Patient hatte für seinen Ungehorsam mit Angst, Abschürfungen und Demütigungen bezahlt.
    Soviel war dem Klatsch von Chepachet und Pascoag bekannt, und soviel glaubten auch die gelehrten Spezialisten. Aber Malone hatte zuerst den Spezialisten viel mehr erzählt, und er hörte nur damit auf, als er merkte, daß ihm lediglich völlige Ungläubigkeit zuteil wurde. Danach hielt er den Mund und protestierte überhaupt nicht, als man allgemein übereinkam, daß der Einsturz gewisser unsauberer Ziegelhäuser im Red−Hook−Viertel von Brooklyn und der daraus resultierende Tod so vieler tapferer Polizeibeamter sein nervöses Gleichgewicht erschüttert hatte. Alle sagten, er habe zu angestrengt gearbeitet, als er versuchte, diese Brutstätten der Unruhe und Gewalt auszukehren; manche Einzelheiten waren gewiß schockierend genug, und die unerwartete Tragödie hatte ihm den Rest gegeben. Dies war die einfache Erklärung, die jedermann verstehen konnte und da Malone nicht dumm war, bemerkte er, daß er es dabei solle bewenden lassen. Würde er phantasielosen Leuten gegenüber Andeutungen über Schreckliches jenseits des menschlichen Begriffsvermögens machen − des Grauen der Häuser und Häuserblocks und der Städte, die vom übel, das aus einer früheren Welt stammt, zerfressen und krebsig sind −, man würde ihn in eine gepolsterte Zelle stecken, anstatt ihn einen ruhigen Landurlaub machen zu lassen, und Malone war trotz seines Hanges zum Mystischen ein vernünftiger Mann. Er besaß den Weitblick des Kelten für das Unheimliche und Verborgene, aber das aufmerksame Auge des Logikers für das nach außen hin Unwahrscheinliche, eine Verbindung, die ihn in den zweiundvierzig Jahren seines Lebens weit vom Weg abgebracht hatte und die ihn für einen Mann der Dublin Universität, der in einer georgianischen Villa beim Phoenix−Park geboren wurde, in eine fremde Welt versetzt hatte.
    Und nun, da er die Dinge überdachte, die er gesehen, empfunden und wahrgenommen hatte, begnügte sich Malone damit, ein Geheimnis für sich zu behalten, das einen furchtlosen Kämpfer in ein zitterndes Nervenbündel verwandeln könnte, das aus alten Slums mit Ziegelhäusern und einem Meer dunkler, schwer deutbarer Gesichter einen Alptraum von geisterhafter Vorbedeutung machen könnte. Es wäre nicht das erste Mal, daß er seine Gefühle für sich behalten mußte − war nicht schon das Untertauchen im Abgrund der Vielsprachigkeit der New Yorker Unterwelt ein Einfall jenseits jeder vernünftigen Erklärung? Was konnte er den Prosaischen von alten Hexenkünsten und unglaublichen Wundern erzählen, die nur dem empfänglichen Auge inmitten des Giftkessels sichtbar werden, wo der mannigfaltige Abschaum verderbter Zeitalter sein Gift mischt und seinen abstoßenden Terror fortsetzt? Er hatte die grüne Flamme geheimer Wunder in diesem lärmenden Tumult äußerlicher Gier und innerlicher Gotteslästerlichkeit gesehen, und er hatte sanft gelächelt, als alle New Yorker, die er kannte ihn wegen seiner Experimente in der Polizeiarbeit verspottet hatten. Sie waren witzig und zynisch gewesen, hatten seine phantastische Suche nach unbekannten Geheimnissen verlacht und ihm versichert, daß New York 37
    heutzutage nichts als Wertloses und Gewöhnliches bietet. Einer von ihnen hatte eine große Summe mit ihm gewettet, daß er nicht einmal − trotz vieler prickelnder Dinge in der Dublin Review, die ihm Ehre machten − eine wirklich interessante Geschichte über das Leben der New Yorker Unterwelt schreiben könne, und jetzt stellte er rückblickend fest, daß eine ungeheuere Ironie die Worte des Propheten rechtfertigte, während sie gleichzeitig im geheimen ihre leichtfertige Bedeutung widerlegte. Das Grauen, auf das er endlich einen Blick geworfen hatte, reichte nicht für eine Geschichte − denn wie das Buch, das ein deutscher Poe−Kenner zitiert, »es läßt

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