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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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biologischen Grundsätzen hohnzusprechen schien, waren das Allermerkwürdigste. Man konnte diese Geschöpfe mit nichts vergleichen −
    blitzartig gingen mir Vergleiche mit der Vielfältigkeit der Katzen, der Bulldoggen, dem sagenhaften Satyr und dem Menschen auf. Nicht einmal Jupiter selbst hat eine solch ungeheuer vorspringende Stirn. Dennoch stellten das Fehlen der Nase und die alligatorähnlichen Kiefer diese Wesen außerhalb 6
    jeder klassifizierten Kategorie. Ich debattierte eine Zeitlang mit mir selbst über die Echtheit der Mumien, halb in der Erwartung, daß sie künstliche Götzenbilder seien;
    entschied aber bald, daß sie wirklich eine vorgeschichtliche Spezies darstellten, die gelebt hatte, als die Stadt ohne Namen noch bestand. Um ihrem grotesken Aussehen die Krone aufzusetzen, waren sie in prachtvolle, kostbare Gewänder gekleidet und üppig mit Schmuckstücken aus Gold, Juwelen und einem unbekannten, glänzenden Metall überladen. Die Bedeutung dieser Kriechtiere muß groß gewesen sein, denn sie nahmen unter den unheimlichen Darstellungen der Fresken an Mauern und Decken die erste Stelle ein. Mit unvergleichlichem Geschick hatte der Künstler sie in ihrer eigenen Welt dargestellt, in der sie sich Städte und Gärten geschaffen hatten, die ihrer Größe angepaßt waren; ich konnte nicht umhin, zu denken, daß ihre bildlich dargestellte Geschichte allegorisch sei, die vielleicht die Entwicklung der Rasse zeigte, die sie verehrt hatte. Diese Geschöpfe, so sagte ich mir, waren den Menschen der Stadt ohne Namen das, was die Wölfin für Rom bedeutet oder was irgendein Totem−Tier einem Indianerstamm bedeutet. Mit Hilfe dieser Ansicht konnte ich in groben Umrissen das wundervolle Epos der Stadt ohne Namen nachzeichnen; die Geschichte einer mächtigen Küstenmetropole, die über die Welt herrschte, bevor Afrika aus den Wogen auftauchte, und von ihren Kämpfen, als die See zurückwich und die Wüste in das fruchtbare Tal eindrang, wo sie stand. Ich sah ihre Kriege und Triumphe, ihre Schwierigkeiten und Niederlagen und ihren nachfolgenden schrecklichen Kampf gegen die Wüste, als Tausende von Menschen, hier allegorisch als groteske Reptilien dargestellt
    − gezwungen wurden, sich mit dem Meißel in erstaunlicher Weise einen Weg durch das Felsgestein in eine andere Welt zu bahnen, von der ihre Propheten ihnen gekündet hatten. Alles war eindrucksvoll unheimlich und realistisch, und der Zusammenhang mit dem furchtbaren Abstieg, den ich bewältigt hatte, war unmißverständlich. Ich erkannte sogar die Gänge wieder. Als ich durch den Korridor dem helleren Licht zukroch, erblickte ich spätere Abschnitte des gemalten Epos − den Abschied der Rasse, die in der Stadt ohne Namen und dem sie umgebenden Tal zehn Millionen Jahre gewohnt hatte; deren Seelen davor zurückschreckten, einen Ort zu verlassen, wo ihre Körper so lang geweilt hatten und wo sie sich als Nomaden niedergelassen hatten, als die Welt jung war, und wo sie in den unberührten Fels diese natürlichen Schreine eingehauen hatten, die sie nie aufhörten, zu verehren. Nun, da das Licht besser war, studierte ich die Bilder genauer, wobei ich mir ins Gedächtnis rief, daß die seltsamen Reptilien die unbekannten Menschen darstellen sollten, und dachte über die Bräuche der Stadt ohne Namen nach. Vieles war sonderbar und unerklärlich. Die Kultur, die ein geschriebenes Alphabet einschloß, war offenbar zu größerer Höhe emporgestiegen, als die unabschätzbar späteren Kulturen in Ägypten und Chaldäa, dennoch gab es merkwürdige Unterlassungen. Ich konnte z. B. keine Bilder entdecken, die den Tod oder Bestattungsbräuche darstellten, außer solchen, die sich auf Krieg, Gewalttätigkeit und Seuchen bezogen, ich wunderte mich über die Zurückhaltung, die sie dem natürlichen Tod gegenüber zeigten. Es war, als sei ein Ideal der Unsterblichkeit als aufmunternde Illusion genährt worden.
    Noch näher am Ende des Ganges fanden sich gemalte Darstellungen, die außerordentlich malerisch und ungewöhnlich waren, kontrastreiche Ansichten 7
    der Stadt ohne Namen in ihrer Verlassenheit und zunehmendem Verfall und das seltsame neue Paradiesesreich, zu dem diese Rasse sich durch den Stein ihren Weg gebahnt hatte. In diesen Ansichten wurden die Stadt und das Wüstental stets bei Mondschein dargestellt, goldener Schein schwebte über den geborstenen Mauern und enthüllte halb die Vollkommenheit vergangener Zeiten, geisterhaft und unwirklich vom Künstler

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