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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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beiseite und schlurfte an ihm vorbei.
    Rollo kniete neben den Lei chnam des Hauptmanns. Seine Finger tasteten über sein vereistes Haar.
    »Herr Hauptmann«, stammelte er und sah verzweifelt in die starren Augen. »Sie können mich doch jetzt nicht im Stich lassen. Sie haben versprochen … Wohin soll ich denn jetzt, wohin?« Immer lauter schrie er auf den Toten ein.
    Einige Soldaten blieben stehen.
    »Was ist denn da vorn los?«
    »Vorsicht, Herr General. Der ist völlig durchgedreht.«
    Rollo schaute ungläubig hoch. General Hentz stand in einem für die Verhältnisse geradezu unglaublich sauberen Armeemantel vor ihm. Es war ein Fehler seines Vorgesetzten gewesen, ihm weiteren Kognak verweigern zu lassen. De nn während sich der Generalleutnant noch mit Durchhalteparolen aufrecht hielt, die er an die Truppe weiterleiten ließ, hatte der Alkoholentzug bei Hentz bewirkt, dass er seit langer Zeit endlich wieder einen Entschluss gefasst hatte. Doch davon konnte Rollo nichts wissen.
    »Herr General.« Seine Hände w ischten fahrig über sein reifbedecktes Gesicht. »Sie kennen mich, Feldwebel Rohleder, das EK I, die ganze Tüte. Ich will kämpfen, aber ich kann nicht mehr allein nach vorn …«
    Sein Blick klammerte sich verzweifelt an die Uniform, die doch wissen musste, was zu tun war, die es ihm endlich sagen sollte.
    Rollos Kopf sackte nach unten. »Ich bin ein Deserteur«, flüsterte er. »Erschießen Sie mich …« Verzweifelt schlug er mit den Fäusten in den Schnee und brüllte: »Ich bin ein gottverdammter Deserteur!«
    »Reden Sie keinen Blödsinn, Mann!«, sagte der General. »Stehen Sie auf! Geben Sie mir Ihre MPi. Na, geben Sie schon her!« Ungeduldig wegen der Zeitverzögerung schob er seine zwei Untergebenen beiseite, nahm Rollo die russische MPi ab und warf sie in hohem Bogen in den Schnee. »Kommen Sie mit, wir ergeben uns.«
    Rollo starrte ihn fassungslos an.
    Ein Landser kam angelaufen. »Herr General, dort vorn sind Russen …«
    »Also los, Männer«, befahl Hentz. »Hände hoch!«
    Mit erhobenen Händen schritt er vor seinen Leuten die Straße entlang. Das Einzige, was ihn an der Situation freute, war die Vorstellung vom Gesicht des Generalleutnants, wenn der erfuhr, dass Hentz eigenmächtig kapituliert hatte. Er musterte die über den Schnee hingestreuten Leichen. Etwas spät natürlich, aber immerhin – er hatte rechtzeitig gewarnt. Eine Durchschrift seiner kritischen Eingaben befand sich in der Innentasche seines Mantels. Er würde sich zu rehabilitieren wissen.
    Rollo stolperte zwischen den träge dahinschlurfenden Füßen der anderen hoch, wurde von ihnen mitgezogen. Sie erreichten einen kleinen Platz. Aus den Ruinen tauchten vorsichtig die ersten R ussen auf. Mit stumpfen Blicken verfolgten die Deutschen ihre schnellen Bewegungen, sahen schemenhaft gut genährte Gesichter unter Pelzmützen. Einige starrten bitter auf die eigenen Lumpen. Zwei junge Stabsoffiziere weinten vor Scham. Die meisten waren zu kaputt für Empfindungen jeglicher Art. Sie wären sogar voller Gleichmut zur eigenen Exekution geschlurft.
    Für eine derart grenzenlose Teilnahmslosigkeit hatte Rollo in letzter Zeit zu viel gegessen. Gehetzt sah er sich um, sah, wie sich der Kreis aus immer mehr Gewehrmündungen immer enger um sie schloss. Ihn würden sie nicht einfach so abknallen, ihn nicht!
    Er riss seine Pistole unter der Jacke hervor. Der Soldat neben ihm sah es, stieß ein ungläubiges Grunzen aus und packte Rollos Hand.
    Rollo versuchte sich zu befreien. »Du verdammter Idiot!«
    Die vorher noch so gleichgültig blickenden Augen der Umstehenden glänzten plötzlich vor Hass. Stellvertretend für all die scharfen Hunde, die sie monatelang von einer sinnlosen Qual in die andere gejagt hatten, stürzten sie sich auf Rollo. Geifer, verfaulter Atem flogen in sein Gesicht, knochige Finger bohrten sich in seine Schultern, rissen ihn zu Boden, erfrorene Füße, dreckstarrende Lumpen stampften seinen Körper in den Schnee.
    Die russischen Soldaten begannen zu brüllen, feuerten in das Knäuel kämpfender Leiber. S chmerzensschreie. Der Lumpenhaufen zog sich zurück. Hündische Blicke wurden auf die neuen Unterdrücker gerichtet, dann sanken Mitleid heischendes Grinsen, schlechtes Gewissen, Hunger und Fieber in den Sumpf alles bestimmender Gleichgültigkeit zurück.
    Einige graue Bündel blieben am Boden liegen. Eines von ihnen war Rollo. Sein Fleisch fühlte sich taub an, und sein Kopf schmerzte bei jedem Herzschlag. Blut

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