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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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konnte, redete er hastig weiter, und mit jedem Wort schien ihm seine Idee durchführbar er. »Sie hat zwei Monate in dieser Stadt als Scharfschützin gekämpft. Sie kennt jedes Abflussrohr. Sie kann uns zur Wolga führen.«
    Fritz starrte ihn ungläubig an. » Ist das dein Ernst? Hast du vergessen, was wir mit der gemacht haben? Die hasst uns, und außerdem ist sie total gestört.«
    »Dann hau doch ab!«, schrie Hans. Zitternd stand er da, Fieber und Übelkeit würgten ihn. »Lauf nur raus«, flüsterte er. »Lass dich abknallen. Geh in Gefangenschaft, ich halt dich nicht. Oder sollen wir uns gegenseitig erschießen? Ein letztes kleines Spiel …«
    Hatte er darum so gelitten, gemordet, fantasiert, um sich nun völlig bedeutungslos und banal in graue, schlammige Erde zu verwandeln? Er konnte es nicht ertragen. Am wenigsten, als er jetzt begriff, dass er es immer gewusst hatte. Von Anfang an hatte hinter jeder Hoffnung, jeder Euphorie geduldig und träge die Gewissheit gelauert, dass es so enden würde. Jetzt war es soweit. Keine Einbildung, kein Traum konnte ihn mehr davor beschützen. Die letzten lächerlichen Masken des Lebens wurden beiseite gewischt.
    Er ging zum Feuer zurück und setzte sich. Ließ den Blick wieder in die Glut sinken.
    »Warum macht ihr’s euch so schwer?«, murmelte Gross. »Warten wir einfach noch ein bisschen. Irgendwas passiert schon.«
    Fritz starrte auf die drei schemenhaften, reglosen Gestalten am Feuer, die sich langsam in Rauch aufzulösen schienen. Er zwang sich, die letzten Stufen hinaufzugehen.
    Die Stimme der Russin hielt er zunächst für Einbildung. Dann blieb er stehen und hörte ihr zu.
    »Euer Leutnant hat recht«, sagte sie. Ihr Blick wich dem der Soldaten aus. »Ich kann euch hier rausbringen. Wir brauchen nur drei russische Uniformen. Aber davon gibt’s draußen genug.«
    Sie schob sich mit einer mädchenhaften Bewegung das verfilzte Haar hinters Ohr. Eine Bewegung, die aus einer anderen Welt zu stammen schien. Verlegen kreuzte sie die Arme vor der Brust und sah zu Boden. Es sah so aus, als schäm te sie sich bereits, ihren Feinden Hilfe angeboten zu haben.
    »Wieso willst du das für uns tun?«, fragte Fritz.
    »Euer Leutnant und ich haben uns nicht zum ersten Mal getroffen. Es war in der Kanalisation. Ich habe damals versucht, ihn zu töten, obwohl er versprochen hatte, mir nichts zu tun. Ich …« Sie verstummte kurz. »Als wir uns wiedergetroffen haben, dachte ich, er würde mich erschießen. Aber er hat es nicht getan. Und deswegen bringe ich euch hier raus. Trotzdem«, fügte sie leise hinzu. Sie wussten, was sie meinte, und sahen alle zu Boden.
    »Es … es tut mir leid«, murmelte Fritz.
    »Sei still!« Ihre Stimme klang abweisend, hölzern. »Ich habe schlimmere Sachen mit Deutschen gemacht als ihr mit mir. Und Russen haben schlimmere Dinge mit mir gemacht als ich mit Deutschen. Hören wir auf zu reden. Ihr lasst mich laufen, ich lasse euch laufen. Mehr brauchen wir nicht.«
    Schweigend sahen sich die drei Männer an. Sie mussten sich erst wieder an den Gedanken gewöhnen, dass es vielleicht doch noch eine Möglichkeit gab, auch wen n zumindest Hans und Gross wussten, dass sie ziemlich fantastisch und eigentlich aussichtslos war. Aber war das nicht alles gewesen, was sie in den letzten Monaten am Leben gehalten hatte?
    »Ich vertraue ihr«, sagte Hans. »Jedenfalls werde ich es versuchen.«
    Gross nickte. »Besser, als gleich zu verrecken«, murmelte er und erhob sich mühsam.
    »Dann geh ich mal ’n paar Uniformen suchen«, sagte Fritz. »Ihr findet meine Größe ja doch nicht.«
    Er ging nach oben, Gross folgte i hm. Alles war leichter, als einfach sitzen zu bleiben, doch einer musste die Russin bewachen, also blieb Hans zurück; die beiden anderen verschwanden.
    Ein kalter Wind wehte Eiskristalle über die Stufen nach unten. Hans versuchte sich vorzustellen, wie sie früher einmal ausgesehen haben mochte. Er schloss die Augen und seinen Gedanken gelang ein schönes Gesicht. Er hörte, wie sie eine Konservendose öffnete, und sagte: »Weißt du, damals habe ich geglaubt, jetzt wird der Krieg, wenigstens für einen Augenblick, doch noch ein schönes Abenteuer.«
    Undeutlich sah er durch den Rauch, wie sie aufblickte. »Ich kann nicht hören, was du sagst. Ich habe zu viele Kanonen gehört. Sagt man so?«
    »Ja, warum nicht?« Als sich ihr wirkliches Gesicht vor ihm aus dem Qualm schälte, spitz, schmal, blass, erschrak er und verlachte sich selbst. Er starrte

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