Stalins Kühe
auch ohne mich zu erbrechen.
Lässt mein Herr mich jetzt in Ruhe? Hat er mich gezwungen, alles zu sagen, was ich nicht gesagt hatte?
Die Hoffnung lässt zarte Blättchen in meiner Brust sprießen. Aus meinen Fußspuren erwachsen Weidenkätzchen, und meine Weichen triefen von Säften. Die Dinge ändern sich, trotz allem. Mein Schritt ist leicht auch ohne Erbrechen, und das Interesse der Menschen gegenüber allem Estnischen ist umso kleiner, je westlicher Estland wird.
MUTTER,
HÖR
DOCH auf. Du möchtest nicht mehr zurück.
Liebste Mutter, mein Mütterlein, hör auf, du trinkst finnischen Kaffee, auch ich trinke ihn, ist er nicht gut, er ist doch gut, nicht wahr? Du siehst finnisches Fernsehen, du hörst nicht mehr die estnische Musik, die du immer nach Finnland mitbrachtest und allein in der Küche hörtest, wenn du gekränkt warst und zu großes Heimweh hattest. Dein Hund trinkt nur finnische Milch. Die Bibliothek hat viele neue estnischsprachige Bücher bekommen, aber du leihst sie nicht aus, obwohl sie ganz in der Nähe sind, neue estnische Literatur und ins Estnische übersetzte Literatur und was nicht alles, direkt nebenan, in der Bibliothek. Liebste Mutter, mein Mütterlein, du wirst nie zurückgehen. Du möchtest ja gar nicht fort aus Finnland. Dein Volk hat dich schon gefressen, und du hast keinen Grund, warum du zurückkehren solltest.
Liebste Mutter, mein Mütterlein, ich hab keine Angst mehr. Und möchte nicht zurück.
DRITTER TEIL
DER
KLEINE
TROLL küsst meinen Gips. Der reicht von den Zehen bis zum Knie. Morgen trägt er mich zur Bulimievorlesung in Lapinlahti, obwohl die beim letzten Mal nichts gebracht hat. Aber ich gehe trotzdem hin. Die Treppen zum Hörsaal sind schmal und alt, und ich verlasse mich noch nicht darauf, dass ich sie allein mit meinen Krücken bewältige. Die Krücken habe ich erst gestern bekommen.
Mein Schienbein ist gebrochen. Ich war auf der Treppe die beiden letzten Stufen mit einem Satz hinuntergesprungen. Ich hätte mir den Knöchel verstauchen können, aber das habe ich nicht. Ich hätte auf die Knie stürzen und sie mir aufschlagen können, aber das ist nicht geschehen. Ich hätte auf die Nase fallen oder auf der Stirn eine Beule bekommen können. Aber ich bin auf beiden Beinen gelandet. Vielleicht schwankte ich ein wenig, aber ich ging weiter, und den eigentümlichen Schmerz in der Knöchelgegend schrieb ich dem heftigen Aufprall zu. Wir gingen einfach weiter in die Bar, wie wir es geplant hatten, der Kleine Troll und ich, und ich tanzte viele Male. Nach der Sperrstunde musste ich mich auf den Arm des Kleinen Trolls stützen, aber der Schmerz in dem Bein war nicht so schlimm, ich nannte ihn ein Pochen.
Am Morgen konnte ich nur noch kriechen.
Der Arzt, der das Röntgenbild prüfte, fragte, ob es in der Familie irgendwelche Krankheiten gebe.
Nein, es gibt keine.
Und nur zwei Stufen auf einmal?
Zwei Stufen auf einmal.
Und dann bist du tanzen gegangen?
Dann bin ich tanzen gegangen.
Der Arzt schickte mich und mein Bein zur Operation ins Krankenhaus Töölö.
Na gut, ich hab eine Essstörung, die hab ich schon lange.
Der Arzt sah mich lange an und nickte nur langsam.
Aber ich nehme genug Calcium, so wie auch Vitamine. Ich habe ein großes Regal voller Gläser mit Vitaminen und Spurenelementen. Und ich trinke nach jeder Orgie Saft mit zehn Vitaminen.
Das akzeptiere ich nicht!
Ich habe keine Osteoporose, an meinen Knochen ist nichts auszusetzen!
Das Einzige, was mich beunruhigt, ist, wie ich mit diesen Krücken und dem Gips meine Lebensmitteleinkäufe erledigen soll. Ich kann keinen Einkaufswagen schieben und keinen Korb tragen. Ich müsste einen Rucksack nehmen, um meine Einkäufe nach Hause zu bekommen. Ich habe keinen Rucksack, und in meinem Haus gibt es keinen Fahrstuhl. Ich weiß nicht einmal, wie viel ich jetzt wiege. Der Kleine Troll kann nicht schätzen, wie viel mein Gips wiegt. Und ich wage es nicht, mit dem Gips auf die Waage zu steigen. Der ist ja schwer. Wie soll ich jetzt wissen, ob ich zugenommen habe oder nicht? Ich muss es wissen!
Als ich ins Krankenhaus fuhr, nahm ich die Silbersandalen mit, denn ich dachte, deren Absätze seien flach genug, nur einige Zentimeter, und sie waren fast ganz offen, über den Fuß verläuft nur ein Riemen. Darin würde auch ein geschwollener Fuß Platz finden. Aber ich hatte nicht vermutet, dass die Silbersandale nicht über den Gips passen würde, und auch an den anderen Fuß kann ich wegen der Krücken keine
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