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Star Trek - New Frontier - Gebranntes Kind

Star Trek - New Frontier - Gebranntes Kind

Titel: Star Trek - New Frontier - Gebranntes Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter David
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Sie müssen verstehen: Im Eifer des Gefechts war ich in der Lage, einen Mann aufzuschlitzen, ihm das immer noch schlagende Herz aus dem Brustkorb zu reißen, und es ihm ins Gesicht zu halten. Und das sage ich vollkommen ohne Übertreibung. Im Laufe der Jahre habe ich das sogar mehrfach getan. Ich bin wirklich nicht zimperlich und habe sicherlich keine Angst, einen toten oder sterbenden Mann zu berühren.
    Aber in diesem Fall war es anders. Meine Hand zitterte regelrecht. Als mir das bewusst wurde, ärgerte mich meine vermeintliche Schwäche. Ich holte tief Luft, und ergriff seine Hand, wusste jedoch immer noch nicht so richtig, warum ihm diese Geste so wichtig war.
    Seine Finger schlossen sich um meine, und er sah mit unendlicher Dankbarkeit in meine Augen. Ich glaube, ihm war nicht bewusst, wer ich war. Er begriff nicht, dass ich ihm den tödlichen Schlag versetzt hatte. Sein Verstand war unendlich viele Kilometer weit weg. Für ihn war ich nur ein anderes Wesen, eine andere lebende, atmende Seele. So viel wusste er … und er wusste, so glaube ich zumindest, dass er im Sterben lag.
    Mit einer Stimme, die kaum mehr als ein heiseres Flüstern war, sagte er: »D… danke.«
    Ihm war nicht mehr zu helfen. Ich wusste, dass schon bald weitere Danteri herkommen würden. Damit nicht genug, auch die bewusstlosen Soldaten würden früher oder später wieder zu sich kommen. Ich versuchte, aufzustehen und zu flüchten, meine Hand aus der seinen zu lösen, aber er stieß hervor: »Nein.« Er schien keine Angst vor dem Sterben zu haben. Er wollte lediglich nicht alleine von dieser Welt gehen.
    Da hob ich ihn an. Ich war überrascht, wie leicht er war. Die ganze Angelegenheit hatte eine höchst seltsame Wendung genommen, aber darüber dachte ich nicht allzu lange nach. Ich handelte aus bloßem Instinkt heraus, richtete mich nach einem Moralkodex, den ich noch nicht wirklich für mich selbst formuliert hatte. Ich rannte mit ihm los, zu einer nahe gelegenen Gegend mit Höhlen und Felsspalten, die ich kannte. Es handelte sich um einen labyrinthähnlichen Bereich, den ich als Kind gründlich erforscht hatte. Ich wusste, dass ich mich dort ewig verstecken konnte, und außerdem gab es an diesem Ort auch Tunnel, daher konnte man mich dort auch nicht belagern.
    Zu diesem Platz brachte ich den jungen Wächter, auch wenn ich sonst kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Ich war nicht in der Lage, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum ich tat, was ich tat. Ich brachte ihn an einen abgeschiedenen Ort innerhalb der Höhlen und blieb bei ihm.
    Dies war der Feind. Immer wieder rief ich mir das ins Gedächtnis. Er war der Feind, und sein Volk hatte mein Volk versklavt. Ich hatte keinen Grund, auch nur das kleinste bisschen Mitgefühl für ihn zu empfinden. Aber erstaunlicherweise tat ich genau das. Hier hatte ich meinen ersten Geschmack der Zerstörung erlebt, meinen ersten Gegner erlegt … und doch hatte ich mich niemals schwächer gefühlt. Ich wollte aufstehen, aus der Höhle laufen, seinen verrottenden Körper den Aasfressern überlassen, die es hier zuhauf gab.
    Stattdessen rührte ich mich nicht von der Stelle. Vielleicht hatte ich das Gefühl, dass es feige wäre, ihn zurückzulassen. Vielleicht war ich auch nur auf eine morbide Art und Weise neugierig. Es hätte eine Mischung aus all diesen Dingen sein können oder nichts davon. Letztendlich … konnte ich es einfach nicht. Ich saß bei ihm und hielt seine Hand. Ab und an zitterte er, schüttelte sich und verkrampfte. Er verlor das Bewusstsein und kam wieder zu sich, doch begriff er niemals, dass der Mann, der ihn getötet hatte, neben ihm saß.
    Ich blickte ihm in die Augen, als er starb. Er hatte dort in der kühlen Höhle gelegen und ins Leere gestarrt, als erwartete er vondort eine Antwort. Er sagte die ganze Zeit über kein einziges Wort. Dann drehte er seinen Kopf und richtete seinen Blick auf mich – zum ersten Mal wirklich auf mich. »Ich …«, stieß er hervor.
    Ich wartete auf den Rest oder zumindest auf das, was er noch zu sagen schaffen würde.
Ich hasse dich. Ich verachte dich. Ich werde dich heimsuchen. Ich verfluche dich
. Alles, irgendetwas, ich war bereit dafür.
    »Ich … danke … dir«, sagte er. Dann fiel sein Kopf zur Seite, und ich hörte ein Geräusch, das ich im Verlauf meines weiteren Lebens nur allzu gut kennenlernen würde: das Todesröcheln, der Klang seiner Seele, die seine fleischliche Hülle verließ, in der er seine sterbliche Existenz

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