Star Trek - Vanguard 01 - Der Vorbote
kleine Chance gab, dass Reyes die Reise zu seiner Familie auf dem irdischen Mond rechtzeitig schaffen konnte, bevor das Ende kam.
Eine einzelne Träne stahl sich aus Reyes’ geschlossenen Augen. Desai nahm ihm das leere Glas aus der Hand und stellte es auf den Ecktisch neben ihr eigenes. Normalerweise machte er auf sie den Eindruck, Berge versetzen zu können, aber an diesem Abend fügte sich Reyes ihrer sanften Führung wie ein im Raum treibendes Schiff. Mit sanftem Druck führte sie ihn zum Sofa, drückte ihn in die Polster und setzte sich daneben.
„Wann hast du davon erfahren?“
„Vor ungefähr einer Stunde. Ich erhielt die Nachricht, während ich auf dich gewartet habe.“
Sie nahm eine seiner großen, gegerbten Hände in ihre eigene und sagte: „Kann ich irgendetwas für dich tun?“
Er schüttelte den Kopf. „Die Dinge im Leben sind schon komisch. Manchmal schleichen sie sich einfach so heran.“ Er drückte ihre Hand und fuhr fort: „Wir begreifen zwar irgendwann, dass wir selbst nicht unzerstörbar sind, aber wir vergessen dabei trotzdem, dass das auch für unsere Eltern gilt. Dann, eines Tages, ist eine der Personen, die dich auf die Welt brachten, fort … und du begreifst, dass du einer der Nächsten sein wirst.“
„Noch ist sie nicht fort“, sagte Desai.
„Nein, noch nicht. Aber bald wird sie es sein. Ich habe ihr eine Nachricht aufgezeichnet. Aber das ist nicht dasselbe. Es ist nicht so, als sei ich bei ihr.“ Reyes lehnte sich zurück und legte seinen Kopf auf das Sofa. Sie sah, wie er die graue, konturlose Zimmerdecke anstarrte. Er seufzte. „Ich habe mir immer ihr Lächeln vorgestellt, wenn ich ihr endlich sagen könnte, dass sie Großmutter wird … und dann ging ich fort, heiratete Jeanne und verschwendete elf Jahre.“
Desai nickte, sagte aber nichts; Reyes sprach nur selten von seiner Ex-Frau und sie hatte bereits herausgefunden, dass Fragen, die seine Ehe mit Jeanne oder ihre Scheidung betrafen, streng verboten waren. Aber eigentlich war der wahre Grund für ihr Schweigen, dass Reyes jetzt bereits zum dritten Mal in ebenso vielen Monaten von seiner Sehnsucht gesprochen hatte, Vater zu werden. So verliebt sie auch in ihn war, sie fand die Idee, jetzt eine Familie zu gründen, für viel zu verfrüht. In Momenten wie diesem verdrängte sie häufig die tadelnde Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf, die zu ihr sagte:
Du wirst nicht jünger, Rana! Nur noch wenige Jahre und du wirst keine Kinder mehr bekommen können. Worauf wartest du?
Sie lehnte sich mit dem Rücken an das seitliche Ende des Sofas und zog Reyes zu sich heran. Er lehnte sich an ihren Körper und sie begann, die Anspannung aus seinen Schultern zu massieren. Seine Muskeln waren steinhart und völlig von dem Stress verspannt, der einen Menschen laut Ranas Vater – einem Arzt – frühzeitig ins Grab bringen konnte. Ihre zart wirkenden Hände kneteten und massierten den harten Trapezmuskel, bis er sich langsam zu lockern begann. Reyes gab einen Laut von sich, eine Mischung aus Grunzen und Seufzen vor Schmerz und Entspannung.
Eine halbe Stunde später fühlten sich seine Schultermuskeln wieder wie menschliches Fleisch statt wie aus Marmor an. Reyes war inzwischen in Desais Armen eingeschlafen. Sie beugte sich zu ihm nach vorne und gab ihm einen Kuss auf die auch im Schlaf gerunzelte Stirn. Ihr Magen meldete sich grummelnd, aber sie ignorierte ihren Hunger, um Reyes nicht aufzuwecken und beschloss, stattdessen selbst etwas zu schlafen.
Es war ein langer Tag gewesen. Für sie beide.
Menschliche Rituale waren für Spock bereits laut Definition zur Hälfte fremdartig. Ihre merkwürdige Vorliebe der Eigenintoxikation, zum Zwecke der Stimulanz gemeinschaftlicher Kommunikation, bestätigte Spock in seiner Meinung, selbst nach über 12 Jahren an Bord der
Enterprise
nur sehr wenig mit der Mehrheit seiner Schiffskameraden gemein zu haben. Die Abschiedsparty für Dr. Piper sollte, so hatte es Spock von Chefingenieur Scott gehört, „eine richtig gute Abschiedssause in den Ruhestand“ werden. Das verwirrte Spock ebenfalls. Pipers Einsatz auf der
Enterprise
würde noch solange dauern, bis das Schiff wieder die Erde erreichte, was aber erst in ungefähr zehn Wochen der Fall sein würde. Erst dann würde das Medizinische Kommando der Sternenflotte einen neuen Schiffsarzt ernennen. Das Ende von Pipers Dienstzeit zu feiern, während er noch immer im Dienst war, erschien Spock verfrüht. Der Halb-Vulkanier hatte an diesem Abend
Weitere Kostenlose Bücher