Star Trek Voyager21 - Sektion31 Der Schatten
neues Leben in die Welt zu setzen. Lyspa hatte nicht versucht, ein zweites Kind zu bekommen. Sie hatte Andra unter dem Herzen getragen, als sie an Bord der Traveler gegangen war, ohne Andras Vater.
Er war jetzt tot.
Von den Zurückgelassenen lebte niemand mehr.
Vor ihr erstreckte sich die Schwärze des Alls so weit, wie der Blick reichte. Kleine Lichter wiesen auf ferne Sterne hin, die die Zukunft der Traveler bereithielten. Die Zukunft von achthundert Millionen Rhawn, die mit der größten Errungenschaft ihrer Zivilisation unterwegs waren
– einem Kolonieschiff. Wenn man diese fragile, aus vielen Teilen bestehende Konstruktion überhaupt als Schiff bezeichnen konnte.
Hinter Lyspa erklangen die leisen Stimmen von anderen Rhawn, die sich im Aussichtsraum entspannten. Händler priesen mit melodischem Singsang ihre Waren an und bestimmt dauerte es nicht mehr lange, bis Andra um eine Leckerei bat.
»Wieso können wir sie nicht sehen?«, fragte Andra.
Lyspa blickte auf ihre Tochter hinab, sah lavendelblaues Haar – die gleiche Farbe wie das Haar ihres Vaters – und goldene Haut. Um ihre besonderen Farben zu betonen, trug sie einen purpurnen Umhang – Andra hatte schon früh gelernt, dass es in ihrer Sektion des Schiffes sehr aufs Erscheinungsbild ankam.
»Was können wir nicht sehen?«, fragte Lyspa.
»Die Sonnen«, erwiderte Andra. »Mein Lehrer sagt, dass sie sehr bald zusammenstoßen. Sollten wir sie nicht sehen können?«
Für sie war es ein interessantes Schauspiel, eine kosmische Anomalie. Lyspa hatte Andra gegenüber nicht von ihrer Sorge gesprochen, dass sie vielleicht nicht weit genug vom Sonnensystem entfernt waren, um den katastrophalen Folgen der Kollision zu entgehen. Sie befürchtete, dass die Traveler der enormen energetischen Druckwelle zum Opfer fallen würde.
»Wir sehen sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr«, sagte Lyspa. »Dein Lehrer hat sie dir bestimmt auf dem Bildschirm gezeigt.«
Andra nickte. »Aber es ist nicht das Gleiche. Warum können wir sie von hier aus nicht sehen?«
Sie hatte nie zuvor danach gefragt, nie zuvor ein solches Interesse gezeigt. War die Neugier des Mädchens ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
»Von diesem Fenster aus blicken wir in die Zukunft«, erwiderte Lyspa und stellte erstaunt fest, wie ruhig ihre Stimme klang. Kummer erfasste sie. Die Erinnerungen an eine Welt, die sie geliebt hatte, waren so nahe, dass sie sie berühren konnte. Ein Sonnensystem, das sie sowohl vom grauen Gras ihrer Heimat aus gesehen hatte als auch aus dem Weltraum … Beides existierte nicht mehr, weder jene Welt noch das Sonnensystem. »Dort draußen finden wir eine neue Heimat.«
Andra schnaufte abfällig. »Die Traveler ist meine Heimat. Ich brauche keinen anderen Ort.«
Weil sie nichts anderes kennen gelernt hatte. Sie war mit den Pflanzen ihrer Heimat vertraut, denn sie arbeitete in den Schiffsgärten, wie alle Kinder. Sie wusste auch, was
»Wetter« bedeutete. Alles war so gut wie möglich nachgebildet: Land, Bäche, sogar kleine Berge, Äcker.
Aber Andra hatte nie die Wärme der Sommersonne auf dem Rücken gefühlt oder eine Brise gespürt, die den Duft eines fernen Kontinents und des Meeres mit sich brachte.
Für Lyspa wirkte alles künstlich, doch Andra kannte nichts anderes.
»Ich möchte die Sonnen sehen«, sagte Andra, als das Schweigen ihrer Mutter andauerte.
»Ich kaufe uns später ein wenig Beobachtungszeit«, schlug Lyspa vor.
»Nein, davon habe ich genug in der Schule. Ich hatte gehofft, dass sich hier etwas verändern würde.« Andra deutete aus dem Fenster. »Aber da draußen ändert sich nie etwas.«
Dort draußen herrschte ständiger Wandel. Lyspa sah den Unterschied jeden Tag. Die Worte ihrer Tochter überraschten sie und sie fragte sich, was die Kinder in der Schule lernten.
Oder habe ich versäumt, Andra auf gewisse Dinge hinzuweisen?, dachte Lyspa.
Sie hatte zu lange über das Thema Sterne geschwiegen.
Vielleicht war sie nach der Kollision imstande, darüber zu reden.
Wenn die Traveler die Katastrophe überstand.
22 Stunden und 35 Minuten
»Zappeln Sie nicht dauernd, Seven«, sagte der Doktor und schloss die Hand um ihre Schulter. Für ein Hologramm konnte er bemerkenswert fest zugreifen. »Das Innenohr ist ein sehr empfindliches Organ. Ihrs wurde leicht verletzt, und wenn Sie sich in die falsche Richtung bewegen, mache ich es vielleicht noch schlimmer.«
»Und anschließend beheben Sie den Schaden«, erwiderte Seven. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher