Starbuck. Der Verräter (German Edition)
keine Ziege, Sergeant», sagte Starbuck mit gequälter Würde. Truslow reagierte, indem er ins Feuer spuckte, und Starbuck schüttelte traurig den Kopf. «Suchen Sie nie den Trost weiblicher Gesellschaft, Sergeant?»
«Meinst du, ob ich mich je wie ein liebestoller Kater benommen habe? Natürlich, aber das hatte ich hinter mir, noch bevor mir ein Bart gewachsen ist.» Truslow hielt inne, vielleicht dachte er an seine Frau in ihrem einsamen Grab oben in den Bergen. «Und wo lässt die blonde Ziege ihren Ehemann?»
Starbuck gähnte. «Er ist in Magruders Einheit bei Yorktown. Er ist Artilleriemajor.»
Truslow schüttelte den Kopf. «Eines schönen Tages erwischt er dich und prügelt dir die Seele aus dem Leib.»
«Ist das Kaffee?»
«Das behaupten sie jedenfalls.» Truslow schenkte seinem Captain einen Becher mit der dicken, süßen Flüssigkeit voll. «Hast du überhaupt geschlafen?»
«Schlaf war nicht die Bestimmung dieses Abends.»
«Du bist genau wie alle anderen Predigersöhne, oder? Euch braucht nur der Geruch von Sünde anzuwehen, und schon suhlt ihr euch darin wie die Sau im Dreck.» In Truslows Stimme lag mehr als nur ein Hauch Missbilligung. Nicht, weil er etwas gegen Schürzenjäger hatte, sondern weil er wusste, dass seine eigene Tochter zu Starbucks Weiterbildung auf diesem Gebiet beitrug. Sally Truslow, die sich ihrem Vater entfremdet hatte, war Hure in Richmond. Das war für Truslow ein Grund zu schmerzlicher Scham, und während ihm das Wissen, dass Starbuck und Sally ein Liebespaar gewesen waren, Unbehagen bereitete, sah er doch in dieser Freundschaft die einzige Chance zur Rettung seiner Tochter. Das Leben konnte manchmal recht kompliziert werden. Sogar für einen so unkomplizierten Mann wie Thomas Truslow. «Und was ist aus deiner Bibellektüre geworden?», fragte er jetzt seinen Offizier und spielte damit auf die halbherzigen Versuche an, die Starbuck gelegentlich unternahm, um Frömmigkeit zu zeigen.
«Ich bin und bleibe eben ein Abtrünniger, Sergeant», sagte Starbuck sorglos, obwohl sein Gewissen in Wahrheit keineswegs so unbeschwert war, wie sein leichtfertiger Ton nahelegte. Manchmal, wenn ihn die Angst vor den Schrecken der Hölle plagte, fühlte er sich so verstrickt in die Sünde, dass er vermutete, Gottes Vergebung niemals mehr erlangen zu können, und in solchen Momenten litt er schreckliche Gewissensqualen, doch kaum kam der Abend, fühlte er sich wieder zu dem getrieben, was auch immer ihn in Versuchung geführt hatte.
Jetzt saß er an den Stamm eines Apfelbaums gelehnt und trank mit kleinen Schlucken seinen Kaffee. Starbuck war groß, schlank, gestählt von einem Sommer des Soldatendaseins, und er hatte langes, schwarzes Haar, das ein kantiges, glattrasiertes Gesicht einrahmte. Wenn die Legion in eine neue Stadt oder ein neues Dorf marschierte, bemerkte Truslow jedes Mal, wie die Mädchen Starbuck und immer nur Starbuck ansahen. Genau wie sich seine eigene Tochter zu dem großen Nordstaatler mit den grauen Augen und dem schnellen Grinsen hingezogen gefühlt hatte. Starbuck vom Sündigen abhalten zu wollen, war, als müsse man einen Hund aus einem Metzgerladen jagen. «Um welche Zeit ist Reveille?», fragte Starbuck jetzt.
«Jeden Augenblick.»
«Oh mein Gott», stöhnte Starbuck.
«Du hättest eben früher zurückkommen sollen», sagte Truslow. Er warf einen Holzscheit auf das heruntergebrannte Feuer. «Hast du der blonden Ziege gesagt, dass wir abziehen?»
«Ich habe beschlossen, es ihr nicht zu sagen. Trennungen sind immer so bitter.»
«Feigling», sagte Truslow.
Starbuck dachte über den Vorwurf nach, dann grinste er. «Sie haben recht. Ich bin ein Feigling. Ich hasse es, wenn sie weinen.»
«Dann gib ihnen keinen Grund dazu», sagte Truslow, aber er wusste, dass er ebenso versuchen konnte, den Wind am Wehen zu hindern. Davon abgesehen brachten Soldaten ihre Mädchen immer zum Weinen. Sie kamen, sie eroberten, und dann marschierten sie davon, und an diesem Morgen würde die Legion Faulconer von Leesburg wegmarschieren. Die letzten drei Monate hatte das Regiment zu der Brigade gehört, die nahe bei Leesburg Stellung bezogen hatte und einen zwanzig Meilen langen Abschnitt des Potomacs überwachte, doch der Feind hatte keinen Hinweis darauf gegeben, dass er über den Fluss wollte. Und jetzt, wo der Herbst langsam in den Winter überging, verdichteten sich die Gerüchte von einem letzten Yankee-Angriff auf Richmond, bevor Eis und Schnee die Armeen zur Unbeweglichkeit
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