Stark (Dark Half)
als erwiderte er den Gruß. Die Hand schien an die vierhundert Kilo zu wiegen, und er ließ sie fast im gleichen Moment, in dem er sie erhoben hatte, wieder auf seinen Oberschenkel fallen.
Frieda sagte abermals, er solle keine Witze machen, und er fühlte sich erschöpfter als je zuvor. Tränen, erkannte er, waren nur der Anfang. Er sagte: »Einen Moment, Frieda«, und legte den Hörer hin. Er ging zum Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Zu weinen, während Frieda am anderen Ende der Leitung zuhörte, war schon schlimm genug. Der verdammte Fensterputzer brauchte es nicht auch noch zu sehen.
Als er das Fenster erreicht hatte, griff der Mann auf der Plattform in die Tasche seine Overalls, um etwas herauszuziehen. Rick war plötzlich sehr unbehaglich zumute. Sagen Sie ihm, daß Sie schon so gut wie tot sind.
Großer Gott...
Der Fensterputzer zog eine kleine Karte heraus. Sie war gelb mit schwarzen Lettern, die von schafsdämlich grinsenden Gesichtern flankiert wurden. Schönen Tag noch stand auf der Karte.
Rick nickte erschöpft. Ein schöner Tag, weiß Gott. Er zog die Vorhänge zu und kehrte ans Telefon zurück.
5
Als er Frieda endlich davon überzeugt hatte, daß er keine Witze machte, brach sie in lautes und völlig echtes Schluchzen aus — jedermann im Büro und alle Klienten, sogar dieser Widerling Olinger, der die miserablen Science-fiction-Romane schrieb und offensichtlich entschlossen war, keinen Büstenhalter in der gesamten westlichen Hemisphäre un-aufgehakt zu lassen, hatte Miriam gemocht -, und Rick weinte eine Weile mit ihr, bis er es schließlich schaffte, das Gespräch zu beenden. Gut, daß ich die Vorhänge zugezogen habe, dachte er.
Fünfzehn Minuten später, als er sich einen Kaffee machte, mußte er plötzlich wieder an den Anruf des Wahnsinnigen denken. Vor seiner Tür standen zwei Polizisten, und er hatte ihnen nichts davon gesagt. Was zum Teufel war los mit ihm?
Nun ja, dachte er, Miriam ist tot, und als ich sie im Leichenschauhaus betrachtete, sah es aus, als wäre ihr fünf Zentimeter unter dem Kinn ein zweiter Mund gewachsen. Das könnte etwas damit zu tun haben.
Fragen Sie Thad Beaumont, wer ich bin. Er weiß Bescheid.
Natürlich hatte er vorgehabt, Thad anzurufen. Aber sein Verstand befand sich nach wie vor im freien Fal - die Dinge hatten neue Proportionen angenommen, die er, zumindest vorerst, einfach nicht in den Griff bekam. Er würde Thad anrufen. Würde es tun, sobald er die Polizisten über den Anruf informiert hatte.
Er informierte sie, und sie waren überaus interessiert. Einer von ihnen gab die Information über sein Funksprechgerät ans Präsidium durch. Anschließend teilte er Rick mit, der Oberinspektor wünsche, daß Rick sie zu One Police Plaza begleitete. Währenddessen sol ten Techniker in seiner Wohnung ein Tonbandgerät instal ieren und am Telefon eine Fangschaltung anbringen - für den Fall, daß er weitere Anrufe erhalten sol te.
»Womit zu rechnen ist«, erklärte der zweite Polizist Rick. »Diese Psychopathen sind gewöhnlich in ihre eigene Stimme verliebt.«
»Vorher müßte ich Thad anrufen«, sagte Rick. »Möglicherweise ist er auch in Gefahr. Jedenfalls hörte es sich so an.«
»Mr. Beaumont steht bereits unter Polizeischutz, Mr. Cowley. Kommen Sie, gehen wir...«
»Ich müßte wirklich vorher. . .«
»Vielleicht können Sie ihn vom Präsidium aus anrufen. Das sollte ohne weiteres möglich sein.«
Und Rick, verwirrt und immer noch nicht sicher, ob irgend etwas von alledem Wirklichkeit war, ließ zu, daß sie ihn mitnahmen.
6
Als sie zwei Stunden später zurückkehrten, runzelte einer von seinen Begleitern an der Wohnungstür die Stirn und sagte. »Es ist niemand da.«
»Na und?« fragte Rick fahl. Er fühlte sich fahl, kam sich vor wie eine Milchglasscheibe, durch die man fast hindurchsehen kann. Man hatte ihm eine Unmenge Fragen gestellt, und er hatte sie beantwortet, so gut er konnte. Das war sehr schwer gewesen - nur die wenigsten von ihnen schienen einen Sinn gehabt zu haben.
»Die Techniker sollten warten, bis wir zurück sind.«
»Wahrscheinlich sind sie in der Wohnung«, sagte Rick.
»Einer vielleicht. Aber der andere müßte hier draußen sein. Das ist Vorschrift.«
Rick zog seine Schlüssel aus der Tasche, suchte den richtigen heraus und schob ihn ins Schlüsselloch. Die Probleme, die diese Männer mit ihren Kollegen und deren Dienstvorschriften hatten, gingen ihn nichts an. Er selbst hatte ohnehin mehr Probleme, als er
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