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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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pompöse Dedikation auf sein neues Lustspiel für die Liebhaberbühne: auch hier in Dux hat man nicht verlernt, was sich gehört, und weiß als Kavalier eine literarisch interessante Assemblee respektvoll zu empfangen.
    Und tatsächlich, wie jetzt die Karossen angerollt kommen und er mit seinen gichtischen Füßen krumm die hohen Stufen hinabstapft, da werfen der Herr Graf und seine Gäste den Dienern lässig die Mütze hin, Mäntel und Pelze, ihn aber umarmen sie nach Edelmannsart, präsentieren ihn den mitgeladenen Herren als den zelebren Chevalier de Seingalt, rühmen seine literarischen Verdienste, und die Damen wetteifern, ihn als Tischnachbar zu haben. Noch sind nicht die Schüsseln abgeräumt und gehen die Pfeifen die Runde, so erkundigt sich schon, ganz wie er’s vorausgewußt, der Prinz nach den Fortschritten seiner unvergleichlich spannenden Lebenserzählung, und unisono bitten Herren und Damen, doch aus diesen zu zweifelloser Zelebrität bestimmten Memoiren ein Kapitel vorzulesen. Wie dem liebenswürdigsten aller Grafen, seinem gnädigen Wohltäter, einen Wunsch versagen? Eilfertig klappert der Herr Bibliothekarius hinauf in sein Zimmer und holt aus den fünfzehn Folianten denjenigen mit dem zurechtgelegten Seidenstreif: das Haupt- und Kabinettstück, eins der wenigen, das die Gegenwart von Damen nicht zu scheuen braucht, die Entweichung aus den Bleikammern von Venedig. Wie oft und wem allen hat er dieses unvergleichliche Abenteuer schon vorgetragen, dem Kurfürsten von Bayern, von Köln, dem englischen Adelskreis und dem Warschauer Hof, aber sie sollen sehen, daß ein Casanova anders erzählt als dieser lederne Preuße, der Herr von Trenck, von dem man soviel Aufhebens machte mit seinen Prisons. Denn er hat neuerdings ein paar Wendungen eingefügt, ganz großartig überraschende Komplikationen, und zum Schluß ein superb wirkendes Zitat aus dem göttlichen Dante. Stürmischer Applaus lohnt die Vorlesung, der Graf umarmt ihn und schiebt dabei mit der linken Hand eine Rolle Dukaten heimlich in seine Tasche, die er, der Teufel weiß es, gut brauchen kann, denn wenn ihn auch die ganze Welt vergißt, seine Gläubiger setzen ihm nach bis hierher in den fernsten Pontus. Sieh da, wahrhaftig, ein paar dicke Tränen laufen ihm über die Wangen, wie jetzt noch die Prinzessin ihn gütig beglückwünscht und alle ihm zutrinken auf die baldige Vollendung des illustren Meisterwerks!
    Aber am nächsten Tage, o weh, klirren die Pferde schon ungeduldig ins Geschirr, die Kaleschen warten am Tor, denn die hohen Herrschaften verreisen nach Prag, und obwohl der Herr Bibliothekar dreimal zarte Andeutungen machte, er hätte daselbst allerlei dringende Geschäfte, nimmt ihn niemand mit. Er muß zurückbleiben in dem riesigen, kalten, zugigen Steinkasten von Dux, ausgeliefert dem frechen böhmischen Dienergesindel, das, kaum daß der Staub hinter den Rädern des Herrn Grafen sich duckt, schon wieder sein albernes Grinsen zwischen die Ohren steckt. Barbaren ringsum, kein Mensch mehr, der französisch und italienisch, von Ariost und Jean-Jacques zu reden wüßte, und man kann doch nicht immer Briefe schreiben an diesen eingebildeten Aktenhengst, den Herrn Opiz in Czaslau, und die paar gütigen Damen, die ihm noch die Ehre der Korrespondenz gönnen. Wie grauer Rauch, dumpf und schläfrig, liegt wieder die Langeweile über den unbehausten Zimmern, und die gestern vergessene Gicht zerrt mit verdoppelter Grimmigkeit in den Beinen. Mürrisch zieht Casanova die Hofkleider aus und seinen dickwollenen türkischen Schlafrock über die frierenden Knochen, mürrisch kriecht er hin zu dem einzigen Asyl der Erinnerungen, an den Schreibtisch: geschnittene Federn warten neben den aufgehäuften weißen Folioblättern, erwartungsvoll knistert das Papier. Und da setzt er sich stöhnend hin und schreibt mit seiner zittrigen Hand weiter und weiter – gesegnete Langeweile, die ihn treibt! – die Historia seines Lebens.
    Denn hinter dieser totenschädeligen Stirn, hinter dieser mumiendürren Haut lebt frisch und blühend wie weißes Nußfleisch hinter beinerner Schale ein geniales Gedächtnis. In diesem kleinen Knochenraum zwischen Stirn und Hinterhaupt ist noch alles intakt und sauber aufgestapelt, was dieses funkelnde Auge, diese breiten, atmenden Nüstern, diese harten, gierigen Hände in tausend Abenteuern gierig an sich gerafft, und die gichtknolligen Finger, die dreizehn Stunden im Tage den Gänsekiel rennen lassen (»dreizehn Stunden, und sie

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