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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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unter die Röcke greift und in seinem Kauderwelsch das dümmste Zeug in die Ohren schwatzt. Aber noch besser dieser Pöbel immerhin als zu Hause das verdammte Dienergeschmeiß, dem er ausgeliefert ist, die »Esel, deren Fußtritt er dulden muß«, Feltkirchner vor allem, der Haushofmeister, und Widerholt, sein Dienstschwengel. Die Canaillen! Mit Absicht haben sie ihm gestern wieder Salz in die Suppe geschmissen und die Makkaroni verbrannt, aus seinem Isokameron das Porträt gerissen und auf das Klosett gehängt: sie haben es gewagt, die Lumpen, die kleine schwarzgefleckte Hündin Melampyge, ihm geschenkt von der Gräfin Roggendorf, zu schlagen, nur weil das süße Tierchen ein natürliches Bedürfnis in den Zimmern verrichtet hat. Oh, wo sind die guten Zeiten, da man derlei Dienstbotenbagage einfach in den Block gesperrt und solchem Pack die Knochen zu Butter geprügelt, statt derlei Insolenzen zu dulden. Aber heute ist ja dank diesem Robespierre die Canaille obenauf, die Jakobiner haben die Zeit versaut, und man ist selbst ein alter, armer Hund mit ausgebissenen Zähnen. Was hilft da klagen und knurren und murren den ganzen Tag – am besten, man speit auf den Pöbel, geht hinauf ins Zimmer und liest seinen Horaz.
    Aber heute gilt aller Ärger nicht, wie eine Marionette zuckt und tappt die Mumie hastig von Zimmer zu Zimmer. Den alten Hofrock hat sie angezogen, den Orden umgetan und sich sauber gebürstet, jedes Stäubchen weg, denn für heute haben sich der Herr Graf angesagt, hochpersönlich kommen Seine Gnaden von Teplitz herüber und bringen den Prinzen de Ligne mit und noch ein paar adelige Herren, man wird französisch bei Tisch konversieren, und die neidische Dienstbotenbande wird mit knirschenden Zähnen ihm servieren müssen, mit krummem Rücken schön die Teller hinhalten, nicht wie gestern einen verpappten und versauten Fraß wie einem Hunde seine Knochen auf den Tisch schmeißen. Ja, er wird heute mittag an der großen Tafel sitzen mit den österreichischen Kavalieren, denn die wissen noch eine soignierte Konversation zu ästimieren und respektvoll zuzuhören, wenn ein Philosoph spricht, den selbst Herr Voltaire noch geruhte zu achten, und der einmal bei Kaisern und Königen allerhand gegolten. Wahrscheinlich, sobald die Damen sich zurückgezogen haben, wird der Herr Graf und der Herr Prinz höchstpersönlich mich bitten, aus einem gewissen Manuskript vorzulesen, ja, bitten werden sie mich, Herr Feltkirchner, Sie Dreckmaul – bitten wird mich der hochgeborene Herr Graf Waldstein und der Herr Feldmarschall Prince de Ligne, daß ich aus meinen einzig interessanten Erlebnissen wieder ein Kapitelchen vorlese, und ich werde es vielleicht tun – vielleicht! denn ich bin ja nicht der Serviteur des Herrn Grafen und zu Gehorsam verpflichtet, ich gehöre nicht zum Dienstbotengeschmeiß, ich bin Gast und Bibliothekar und stehe au pair mit ihnen – nun, ihr wißt ja nicht einmal, was das heißt, ihr Jakobinergesindel. Aber ein paar Anekdoten werde ich ihnen erzählen, cospetto! – ein paar im deliziösen Genre meines Lehrers, des Herrn Crébillon, oder ein paar pfefferige von der venezianischen Sorte – nun, wir sind doch Edelleute unter uns und verstehn uns auf Nuancen. Man wird lachen und schwarzdunklen schweren Burgunder trinken wie am Hof Seiner Christlichen Majestät, wird von Krieg, Alchimie und Büchern plaudern, und vor allem von einem alten Philosophen sich etwas über Welt und Weiber erzählen lassen.
    Aufgeregt huscht er durch die geöffneten Säle, der kleine, dürre, böse Vogel, die Augen funkelnd vor Medisance und Übermut. Er putzt die pierres de strass – die echten Edelsteine hat längst ein englischer Jude –, die sein Ordenskreuz einrahmen, pudert sorgfältig das Haar und übt (bei diesen Banausen vergißt man ja alle Manieren) die alte Art der Reverenzen und Verbeugungen vom Hofe Ludwigs XV. vor dem Spiegel. Freilich, der Rücken knackt schon bedenklich, nicht ungestraft hat man den alten Karren dreiundsiebzig Jahre lang auf allen Postkutschen kreuz und quer durch Europa geschleppt, und weiß Gott, wieviel Saft haben die Frauen aus einem geholt. Aber wenigstens da oben im Gehirnkasten ist der Witz noch nicht ausgeronnen, man wird die Herren noch zu amüsieren wissen und vor ihnen gelten. Mit schnörkelig gerundeter, ein wenig zittriger Schrift kopiert er noch ein Willkommgedichtchen in französischer Sprache für die Princesse de Recke auf ein rauhliches Büttenblatt, malt ferner eine

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