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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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hat sein Zelt geschlagen auf diesem Hügel, und sein Haus schattet mein eigen Dach. Aber Gott sendet auch Prüfungen über sein Volk. Nochmals sei es gesagt: die uns Treue schwuren, haben uns verraten, Ägypten hat uns verlassen, wir sind allein. Lasset uns nun bereden, Wort wider Wort, Meinung wider Meinung, wie wir den Streit ausfechten möchten mit Nabukadnezar oder ob einer Rat wüßte, ihn zu enden.
    HANANJA:
    Wir müssen beten zu Gott, daß er das Wunder sende. Wir müssen unsere Herzen füllen mit Gebet und seine Altäre mit Opfern. Wir müssen ein Doppeltes tun als bisher…
    NACHUM:
    Es sind keine Opfer mehr, nicht Farren noch Böcke.
    HANANJA:
    Nicht wahr ist dies. Selbst habe ich das Blöken der Rinder gehört, die du birgst vor den Altären.
    NACHUM:
    Die letzten sind es, Milchkühe, gespart den Frauen, ihre Kinder zu säugen, und als Zehrung den Kranken.
    HANANJA:
    Man darf nicht sparen für Gott. Mögen darben die Kranken und verdorren die Brüste der Frauen. Gott darf nicht entbehren des Opfers.
    PASHUR (ernst):
    Sein Herz weiß unsere Not auch ohne Gabe.
    HANANJA:
    Aber nichts ist ihm süßer, denn die Gabe der Not. Man gebe ihm das Letzte und reiße es selbst sich vom Munde.
    PASHUR:
    Ich kenne die Bräuche, nicht mußt du meines Dienstes mich belehren, Hananja, besser ist er vielleicht mir bewußt, als dir Gottes Wort und Wille.
    HANANJA:
    Wer nicht opfert heißen Herzens, wer da zaudert und zählt, ist nur ein Schlächter des Tieres und nicht Diener des Herrn. Ich aber sage euch, so ihr nicht das Letzte hingebet von eurer Notdurft, seid ihr nicht würdig, vor sein Antlitz zu treten…
    ZEDEKIA (heftig):
    Schweigt stille! Ich mag eure Worte nicht. Noch sind der Sandkörner kaum zehn niedergeronnen in der Uhr, und schon erhebt ihr Rede widereinander. Was Gottes ist, will nicht beredet sein. Ich habe euch zum Rate gerufen über unsere Not und wie wir sie vermöchten zu wenden. Kriegszeit ist unsere Zeit, und so frage ich dich als ersten, Abimelech, den Obersten meiner Krieger.
    ABIMELECH:
    Fest sind die Mauern Jerusalems, mein König, aber noch fester ist mein Herz.
    ZEDEKIA:
    Aber deine Knechte, du Getreuer, wie ist ihr Sinn? Selten höre ich sie jubeln, und schreite ich an ihnen vorüber, so schlagen sie nicht mehr die Schilde und wahren den Blick.
    ABIMELECH:
    Schweigsam macht der Krieg, aber er härtet die Herzen. Vorbei ist die Stunde, da sie jauchzten vor Lust, daß das Schwert ihnen frei aus den Händen fuhr, denn die Gewöhnung mordet alles Große, und jede Lust wird schal an der Dauer. Aber sie wachen und warten, ehern hüten sie die Mauern Jerusalems.
    ZEDEKIA:
    Und wenn die Monde wachsen und sich mindern, wenn abermals das Jahr sich neut? Wir haben keine Hilfe zu erharren.
    ABIMELECH:
    Mag es dauern, solang es Gott gefällt! Wir werden dauern wie die Zeit.
    ZEDEKIA:
    Der Herr erfülle dein Wort! (Zu den andern:) Ist eure Meinung gleicher Art?
    PASHUR:
    Wir müssen harren und gedulden, bis das Los des Sieges gefallen.
    ZEDEKIA:
    Und was ist dein Wort, Hananja?
    HANANJA:
    Nie wird Nabukadnezar uns obkommen! Weh denen, die kleinmütig sind und denen das Herz schmilzt im Leibe, es wäre besser, man schlüge sie mit der Schärfe des Schwerts.
    IMRE:
    Mein Auge ist trübe geworden, doch es hat dereinstens noch Salmanassar gesehen, der aufstund wider Israel, und es sah seiner Toten Schar vor den Mauern. Nie waren so fett die Schakale, denn das Jahr, da Jerusalem gegürtet war von den Feinden des Herrn. Und so wird er wiederum treffen, die wider uns aufstunden. Möge mein Auge nicht welken, ehe es diesen Tag erschaut. Ewig währet Jerusalem!
    ABIMELECH, HANANJA, PASHUR:
    Ewig währet Jerusalem!
    ZEDEKIA (nach einer Pause):
    Ich misse dein Wort, Nachum! Warum verharrst du in Schweigen?
    NACHUM:
    Düster sind meine Gedanken, mein König, und bitter meine Rede. Nicht drängt sich vor, dessen Sinn ohne Freude ist.
    ZEDEKIA:
    Ich rief euch, Rates zu halten. Willkommen, des Botschaft Labsal bringt, willkommen auch der, des Wort Warnung ist. Sprich frei vor uns allen!
    NACHUM:
    Ehe du mich entbotest zum Rate, bin ich in die Kammern des Korns gegangen und habe die Scheffel gezählt. Die Räume, die voll gewesen bis zum Speicher, sind licht und leer. Es geht nicht mehr an, daß jeder ein ganzes Brot erhalte des Tages.
    (ALLE schweigen betroffen.)
    ZEDEKIA:
    Wurde nicht Korn aus den Dörfern geschafft? Ließ ich nicht Milchkühe und Vieh in die Mauern treiben?
    NACHUM:
    Elf Monde währet der Krieg, und viel

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