Das Kumo-Kartell
1
John Saito hatte sich Kumiko anders vorgestellt. Japanischer. Immerhin trug sie einen japanischen Namen, und er hatte bei der Eventagentur ausdrücklich eine Japanerin bestellt. Bei näherer Betrachtung lag das wenig japanische Aussehen wohl daran, dass Kumiko sich, wie viele Japanerinnen, die Augen hatte operieren lassen, damit sie größer und »westlicher« wirkten. Ihr schwarzes Haar, obwohl nur ohrenlang, war im klassischen Stil frisiert, und ihre Augen waren so dunkelbraun, dass sie beinahe schwarz wirkten.
Der Blick dieser Augen jagte Saito einen wohligen Schauder über den Rücken.
Kumiko verbeugte sich auf vollendete japanische Weise, die Hände flach auf die Oberschenkel gelegt. »Konban wa, Saito-san. Kumiko desu. O genki desu ka?«
Perfektes Japanisch, besser als sein eigenes, musste Saito zugeben. Okay, sie war Japanerin. Ohne jeden Zweifel.
»Guten Abend, Kumiko. Lassen Sie uns bitte Englisch sprechen. Setzen Sie sich. Möchten Sie einen Drink?«
Sie lächelte. »Wenn es Ihnen gefällt.«
John Saito füllte zwei Gläser mit Whisky und reichte ihr eins, ehe er im Sessel neben ihr Platz nahm. Er fühlte sich nervös, was nicht nur daran lag, dass er neben einer außergewöhnlich schönen Frau saß. Er räusperte sich.
»Sie kennen sich mit der Teezeremonie aus?«, vergewisserte er sich.
Die Frau neigte den Kopf und beugte sich leicht zu ihm hin, als böte sie ihm ihren Hals zum Kuss – oder Biss – dar. Der einzelne Ohrring, den sie trug, ein goldenes Ungetüm in Gestalt eines handtellergroßen Sterns, rutschte nach vorn, sodass er auf ihrer Wange zu liegen kam. Es sah zum Anbeißen aus.
» So desu . So ist es. Sie wünschen die Zeremonie in klassischem Stil? Ich habe alles Erforderliche mitgebracht.« Die Frau deutete auf die Sporttasche, die sie neben dem Sessel abgestellt hatte, und musterte John von oben bis unten. »Auch einen Kimono für Sie.«
Ihr Englisch war ebenso perfekt und akzentfrei wie ihr Japanisch.
Saito räusperte sich erneut. »Ihre Agentur hat mir mitgeteilt, dass ich auch gewisse … äh, Extras buchen kann. Ich müsste es allerdings mit Ihnen persönlich absprechen.«
Wieder neigte sie den Kopf auf diese unnachahmliche Weise, die ihn – zusammen mit dem Blick aus ihren unergründlichen Augen – wahnsinnig antörnte. Er bekam eine Erektion. Hoffentlich sieht sie es nicht , dachte er. Aber wer konnte bei einer solchen Frau kalt wie ein Fisch bleiben?
»Ja, ich kann Ihnen Extras bieten. Aber selbstverständlich zelebrieren wir nur die Teezeremonie.« Sie zwinkerte ihm zu.
»Selbstverständlich.« Saito lächelte erleichtert. »Und wie läuft es ab? Bezahle ich Sie vorher oder nachher?«
»Vorher, bitte. Dann können wir uns in Ruhe auf die Teezeremonie konzentrieren.«
Er nickte. »Sind fünfhundert Dollar angemessen?«
Sie maß ihn mit einem Blick, der bekümmert wirkte, lächelte und schwieg.
»Also gut, tausend Dollar. Dafür will ich aber auch was Besonderes.«
Sie neigte anmutig den Kopf. »Ich verspreche Ihnen ein unvergessliches Erlebnis, Saito-san.«
Ihre Stimme klang wie ein Streicheln. John Saito lächelte, holte das Geld aus seinem Safe im Arbeitszimmer, schob es in einen Umschlag und reichte ihn der Frau. Sie steckte ihn in ihre Handtasche, ohne nachzuzählen, und stand auf.
»Ich bereite alles vor, Saito-san.«
»Das Badezimmer ist da drüben.« Er deutete auf eine Tür. »Und das Ankleidezimmer dort.«
Die Frau nahm die Sporttasche und verschwand im Ankleidezimmer. Zehn Minuten später erschien sie wieder, gekleidet in einen Kimono, unter dem sie erkennbar nackt war. Saito wäre am liebsten auf der Stelle über sie hergefallen. Aber Kumiko hatte ihm etwas Besonderes versprochen, und das wollte er auskosten.
»Wo wünschen Sie die Teezeremonie zu zelebrieren, Saito-san?«
Er deutete auf eine japanische Sitzecke, zu der eine Vorrichtung gehörte, auf der man Tee kochen konnte. Die Frau reichte ihm einen zusammengelegten Kimono.
»Wenn Sie sich umziehen wollen?«
Und ob er wollte! Er nahm den Kimono und ging ins Ankleidezimmer. Als er wieder herauskam, hatte die Frau einen Wasserkessel auf die Herdplatte in der japanischen Ecke aufgesetzt und die Teeschalen und übrigen Gerätschaften – Bambuspinsel, Teepulver – bereitgelegt. Sie kniete neben der Vorrichtung in einer Haltung, die die pure Verführung war. Gott, wie machte sie das? Und der Blick, den sie ihm dabei zuwarf …
Saito schluckte und kam ungeschickt ihrer Aufforderung nach,
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