Steirerblut
wiederholte Sandra ihre Frage. »Was hast du vor mir zu verbergen?«
»Warum …«, murmelte Bergmann und fuhr nach einem kurzen Moment des Schweigens fort. »Es gibt tatsächlich etwas, das ich lieber für mich behalten möchte. Und es ist nicht der Kontakt zu Eva Kovacs. Nur damit das klar ist«, versuchte er, ihrer Frage erneut auszuweichen.
Doch diesmal ließ Sandra nicht locker. »Aber du siehst doch anderen Leuten auch in die Augen. Warum ausgerechnet mir nicht?« Kaum hatte sie ihre letzte Frage laut ausgesprochen, keimte ein Verdacht in ihr auf. Sie fühlte die Hitze in ihre Wangen steigen. Das konnte doch nicht wahr sein! Hatte Max am Ende richtig gelegen? War Bergmann in sie verknallt?
»Du bist doch nicht wirklich so naiv, oder?«, fragte er.
Was sollte sie darauf bloß antworten? O ja! Ich bin so naiv, so dämlich, so unsensibel, dass ich einfach nicht bemerkt habe, dass mein Partner und Vorgesetzter in mich verliebt ist. Aber war es nicht noch viel naiver, sich so zu verhalten wie er? Sandra war froh, dass er das Sprechen übernahm.
»Bitte vergiss es. Es ist alles viel zu kompliziert. Ich bin zu kompliziert. Ich bin für so was nicht geschaffen.«
Sandra schluckte. »Ich auch nicht«, würgte sie hervor. »Außerdem bist du doch verheiratet«, erinnerte sie sich und ihn.
»Meine Frau und ich leben, seit ich in Graz bin, getrennt. Manuela ist in Wien geblieben und hat die Scheidung eingereicht. Möchtest du sonst noch etwas wissen?«
»Waren die Gladiolen von dir?«
Bergmann nickte. »Wie gesagt: Am besten, du vergisst das alles wieder. Außerdem bist du mir momentan viel zu hässlich«, fügte er hinzu, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. Sandra betrachtete ihn von der Seite. Er verzog noch nicht einmal einen Mundwinkel. Sie konnte nicht anders, als loslachen. Dass ihre Rippen erneut rebellierten, war ihr herzlich egal.
Als sie beim Gasthof ›Zur Goldenen Gans‹ ankamen, warteten bereits die Kollegen von der Spurensicherung, die wie sie in aller Herrgottsfrühe aus Graz angereist waren, in ihrem Van am Parkplatz hinter dem Haus. Kein Wunder, dass die Kriminaltechniker früher am Zielpunkt angelangt waren als sie – bei dem Schneckentempo, das Bergmann an den Tag gelegt hatte, wenn man von dem einen gewagten Überholmanöver einmal absah. Mephisto bewachte den Weg zum Hintereingang. Er lag in der Morgensonne und spitzte die Ohren. Erst als die Besucher aus ihren Autos stiegen, sprang er auf und lief bellend auf sie zu, um Bergmann schwanzwedelnd zu begrüßen.
»Was für ein Glück, dass es hell ist«, meinte Sandra und wich zwei Schritte zurück, um den für sie angemessenen Respektabstand zu dem Schäferhund einzuhalten. Bergmann kraulte Mephisto hinterm Ohr, als Michl aus dem Haus trat.
»Mephisto, hierher!«, rief der Gastwirt und ging auf die Kriminalbeamten zu. Der Hund sah auf und trabte an seinem Herrchen vorbei durch die offene Hintertür ins Haus. »Was soll denn der Auflauf? Ich hab gedacht, ihr seids hier fertig«, erkundigte sich Michl, nachdem er die Truppe begrüßt hatte.
»So kann man sich täuschen, Herr Oberhauser! Nichts für ungut. Wir dürfen uns doch noch einmal bei Ihnen umsehen?«, fragte Bergmann.
Sandra hielt ihm den Durchsuchungsbefehl unter die Nase, der noch von der letzten Hausdurchsuchung stammte. Michl verzichtete ohnehin darauf, diesen genauer zu begutachten. Stumm trat er beiseite und ließ die Polizeibeamten eintreten. »Wir brauchen die Zimmerschlüssel, Michl. Und zwar alle«, erklärte ihm Sandra im Vorbeigehen.
»Außer der Nummer zwei. Dort finden wir bestimmt nichts mehr«, ergänzte Bergmann, der direkt vor Michl das Haus betrat. »Ihr wartet am besten hier«, wies er die Männer von der Spurensicherung vor dem Treppenhaus an. Dann folgte er dem Wirt und Sandra zur Rezeption.
»Mama! Kommst du bitte? Die Polizei aus Graz ist da!«, rief Michl in Richtung Gaststube.
Augenblicke später erschien Maria Oberhauser in der Tür und wischte ihre Hände in einem Küchentuch ab, das sie sich anschließend über die Schulter warf. »Griaß di Gott, Sandra! Herr Chefinspektor … Brauchts leicht schon wieder ein Zimmer bei uns?«, begrüßte sie die vermeintlichen Hausgäste freundlich. Erst als sie die vier Männer in ihren weißen Overalls im Flur stehen sah, verschwand ihr Lächeln, wusste sie doch noch vom letzten Besuch, was deren Aufgabe war.
»Frau Oberhauser, wir müssen uns nochmals hier umsehen«, erklärte Bergmann knapp.
»Aber
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