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Steirerblut

Steirerblut

Titel: Steirerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Rossbacher
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Korridor? Die Schritte kamen unaufhaltsam näher. Die Panik kroch in Sandra hoch. Das Klopfen an der Wohnungstür ließ sie unwillkürlich zurücktaumeln. War Bergmann zurückgekehrt? Hatte er etwas vergessen? Sandras Kehle schnürte sich zu. ›Mike ist im Gefängnis‹, redete sie sich ein. Doch diesmal schaffte sie es nicht einmal, durch den Spion zu blicken, um nachzusehen, wer an ihre Tür klopfte. Das Schrillen der Glocke ließ Sandra schlagartig erstarren. Dann begann sie zu zittern. Wer zum Teufel war da draußen? ›Mike ist im Gefängnis‹ betete sie sich diesmal laut vor. ›Mike ist im Gefängnis‹ … Noch immer war sie unfähig, einen Schritt zu tun.
    »Sandra? Bist du da?«, drang es von draußen an ihre Ohren.
    »Andrea!« Die Panik lockerte ihre lähmenden Krallen, und Sandra atmete erleichtert auf. Die Freundin war zurückgekehrt. Mit zittrigen Händen öffnete sie die Tür. »Du hast mich fast zu Tode erschreckt, Andrea. Warum hast du denn nicht angerufen und mir Bescheid gegeben, dass du wiederkommst?«
    »Tut mir leid. Mein Akku ist leer. Gerade als ich unten anläuten wollte, ist Bergmann aus dem Haus gekommen. Deshalb hab ich es bleiben lassen und bin gleich zu dir hinaufgefahren. Mein Gott, du bist ja weiß wie die Wand.« Andrea hakte sich bei Sandra unter und zog sie mit sich ins Wohnzimmer. »Setz dich erst einmal hin. Möchtest du vielleicht eine Tasse Tee?«
    Sandra nickte, während Andrea eine Spraydose aus ihrer Handtasche zog. »Da, schau! Ich hab dir das Trockenshampoo besorgt.«
    Sandra lächelte schwach. »Das ist lieb von dir«, bedankte sie sich bei der Freundin. Ihre Pulsfrequenz war annähernd auf ein normales Niveau gesunken.
    »Ich hatte einfach kein gutes Gefühl, dich heute Nacht hier allein zu lassen«, erklärte Andrea und stellte die Spraydose auf dem Couchtisch ab.
    »Wie es aussieht, hattest du recht mit deinem Gefühl.« Spätestens nach diesem Zwischenfall war Sandra klar, dass sie ihr Trauma nicht ohne professionelle Hilfe bewältigen würde. Den Fahrstuhl konnte sie zwar vermeiden und die Treppen nehmen, um der Erinnerung an den Überfall auszuweichen. In der Garage war das jedoch schon erheblich schwieriger. Aus ihrer Wohnung wollte sie sich von den Gespenstern der Vergangenheit keinesfalls verdrängen lassen. Sie hatte viel zu hart dafür gearbeitet, um sich ihre eigenen vier Wände leisten zu können, obgleich sie noch lange nicht ganz ihr gehörten. Sandra beschloss, am nächsten Morgen einen Termin mit dem polizeipsychologischen Dienst zu vereinbaren. Die Therapeuten dort hatten schon so manchem Kollegen erfolgreich aus der Krise geholfen.
    »Was wollte Bergmann eigentlich hier?«, erkundigte sich Andrea.
    »Es gab in unserem Mordfall etwas zu besprechen«, blieb Sandra vage. Auch wenn sie Andrea die meisten privaten Geheimnisse anvertraute, waren die kriminalpolizeilichen tabu.
    »Aber du bist doch krankgeschrieben«, warf Andrea ein.
    »Ja, eh …« Sandra nahm die Spraydose zur Hand und tat, als würde sie den Packungstext lesen.
    »Und Max? Was wollte der so Dringendes von dir?«, fragte Andrea weiter.
    »Das war ebenfalls beruflich«, sagte Sandra.
    »Wie … er hat dir keinen Antrag gemacht?« Andrea sah sie grinsend an.
    Sandra schüttelte den Kopf und seufzte. Der prüfende Blick der Freundin heftete an ihr wie eine Klette.
    »Schon gut«, gab sich Andrea geschlagen, »ich frage nicht mehr weiter. Ich geh in die Küche deinen Tee machen.«
    Wie gut, dass Andrea genau wusste, wann es genug war. Sandra musste sich nicht erst an Katharinas indiskrete Art erinnern, um zu wissen, dass diese Eigenschaft keineswegs selbstverständlich war.

Kapitel 13
    Montag, 27. September
     
    Sandra hatte nur kurz und sehr unruhig geschlafen, als sie gegen drei Uhr morgens erwachte. Seither kreisten ihre Gedanken unaufhörlich um Bergmann. Nicht auszudenken, was der Kollege ihr noch alles verheimlichte … Sandra drehte sich zur Seite, auf der Andrea schlief. Der Atem der Freundin ging tief und regelmäßig – im Gegensatz zu ihrem eigenen. Durch die Nasenbein- und Rippenverletzungen atmete Sandra noch immer viel zu flach und zumeist durch den Mund. Doch momentan beschäftigten sie Bergmanns charakterliche Unzulänglichkeiten mehr als ihre körperlichen. Wie alle Kriminalbeamten hatte Sandra eine intensive Ausbildung in angewandter Psychologie und dazu zahlreiche Fortbildungsseminare bei einschlägigen Koryphäen auf den unterschiedlichen kriminalpsychologischen

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