Steirerkind
die Frage nach der Henkersmahlzeit und bestellten Kaiserschmarrn und Lumumba.
»Wie auch immer«, meinte Sandra noch immer schmunzelnd, nachdem sich die schlagfertige Kellnerin wieder entfernt hatte, »der Junge hat gestanden, Roman Wintersberger erschossen zu haben.«
»Wie kann man nur so ausrasten?«
Sandra zuckte mit den Schultern. Wie sehr der angeblich so phlegmatische Lukas Wintersberger ausrasten konnte, hatte sie erst vor wenigen Tagen selbst miterlebt, nachdem ihm seine Mutter angesichts der bevorstehenden Abnahme ihrer Speichelproben gestanden hatte, dass Roman Wintersberger gar nicht sein leiblicher Vater gewesen war.
Warum sie ihrem ersten Impuls in der Polar-Bar, als ihr die fehlende Ähnlichkeit zwischen Roman und Lukas Wintersberger aufgefallen war, nicht gleich nachgegeben hatte, konnte sich Sandra noch immer nicht erklären. Andererseits gab es rezessive Merkmale, die sich von früheren Generationen vererbten. Nicht zwangsläufig waren daher alle Kinder, die ihren Eltern nicht ähnlich sahen, Kuckuckskinder – wie Bergmanns Tochter Sarah. Vor lauter Steinchen in dem komplexen DNA-Puzzle hatten sie das einfachste Teilchen schlichtweg übersehen, was Sandra ärgerte. Unterm Strich überwog jedoch die Zufriedenheit, das Rätsel doch noch gelöst zu haben.
»Die meisten Morde sind Beziehungstaten, die im Affekt geschehen. Das ist dir doch sicher nicht neu«, sagte Sandra. Sie hatte nicht vor, Julius Details zu liefern, die nicht in der offiziellen Presseaussendung preisgegeben worden waren.
Dass Irene Wintersberger die mutmaßliche Mutter von Gregor Fitzner war, den sie als unerwünschtes Baby vor zweieinhalb Jahrzehnten in der Kirche abgelegt hatte, behielt Sandra daher für sich. Als Reporter wollte sie Julius erst gar nicht in Versuchung führen. Außerdem fehlte noch ein letzter DNA-Abgleich, der diese Annahme bestätigte.
Irene Wintersberger war jedenfalls zusammengebrochen, als Sandra sie mit der Vermutung konfrontiert hatte, eine intime Beziehung mit ihrem Erstgeborenen geführt zu haben. Dass die gute Frau davon nichts geahnt hatte, nahm sie ihr ab. Was für eine haarsträubende Vorstellung, mit dem eigenen Sohn zu schlafen! Roman Wintersberger und Gregor Fitzner waren die Enthüllungen wenigstens erspart geblieben, wenngleich sie das mit ihren Leben ziemlich teuer bezahlt hatten.
Lukas Wintersberger hatte schließlich gestanden, dass Elena für ihn gelogen und ihm so ein Alibi verschafft hatte. In Wahrheit war er in der Mordnacht erst eine gute halbe Stunde später nach Hause gekommen, als sie angegeben hatten. Ihm war demnach genügend Zeit geblieben, um seinen Vater spätnachts vom Blauen Engel abzuholen, wie dieser es von ihm am Telefon gefordert hatte. Seinen Audi Q7 hatte er an diesem Tag dem Sohn geliehen, der damit Weihnachtsbesorgungen erledigen wollte, für die im Mini kein Platz war. Während der Heimfahrt hatte der Cheftrainer vergeblich versucht, Tobias Autischer, mit dem er zuvor gestritten hatte, zu erreichen. Schließlich hatte er umdisponiert. Lukas sollte ihn auf der Stelle zum Fischerwirt fahren, wo er Toby abpassen wollte, um sich des lieben Weihnachtsfriedens willen mit ihm auszusöhnen.
Lukas war darüber alles andere als begeistert gewesen. Beim Steirischen Bodensee war der Streit zwischen Vater und Sohn dann eskaliert. Letzerer hatte zur Waffe gegriffen, die sich leichtsinnigerweise im Handschuhfach des Audi befunden hatte, weil Irene Wintersberger sie nicht unter ihrem Dach wissen wollte. Lukas hatte nicht nur den Mord gestanden, bei dem ihm die Breitling seines Vaters, die zuletzt er getragen hatte, abhanden gekommen war, sondern ihnen auch das Tatmotiv mitgeliefert.
Schon als Kind hatte er Toby gehasst. Denn so sehr er sich um die Liebe seines Vaters bemüht hatte, er hatte niemals auch nur annähernd geschafft, was Toby scheinbar so mühelos mit sportlichen Erfolgen gelungen war: Roman Wintersbergers Anerkennung zu gewinnen. Deshalb hatte Lukas beschlossen, sobald die Leiche gefunden würde, den Mordverdacht auf seinen Widersacher zu lenken.
Er habe es wie nichts zuvor in seinem Leben genossen, Toby hinter Gittern zu wissen, anstatt ihn sportliche Triumphe bei der heimatlichen Ski-WM feiern zu sehen, hatte er bei seinem letzten Verhör ausgesagt. Zu seinem Bedauern sei der verhasste Rivale viel zu früh wieder entlassen worden, denn im Riesentorlauf hatte er inzwischen die Goldmedaille geholt. Eine weitere war beim morgigen Slalom möglich.
Geld mit der
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