In einem leuchtend schoenen Land
Einleitung in ein über zweihundert Seiten langes Staunen
Anfang 2004 blätterte ich mit drei Kindern in einem Atlas und suchte den Asienteil nach der Insel Sri Lanka ab. Auf Sri Lanka, so hatte ich mir sagen lassen, gab es für den Ehemann eine Anstellung. Nachdem jene Deutschland kürzlich ausgegangen war, prüfte unsere Familie ernsthaft die Auswanderungsvariante. Mein Mann Andreas schob kopfschüttelnd das geografische Nichtwissen von uns vier über einem Atlas brütenden Häuptern beiseite, und setzte mit dem Zeigefinger in Frankfurt auf.
„Passt gut auf“, befahl er und hob ab, zog zielstrebig an Wien vorbei, legte in Bukarest eine kurze Bedenkpause ein, streifte die Vereinigten Emirate, reiste in Indien ein- und aus, überflog ein daumenbreites Stück vom Indischen Ozean und landete punktgenau auf Sri Lanka.
„Tropische Temperaturen in Äquatornähe“, stellte Andreas anerkennend fest und zitierte aus der Jobofferte weitere Vorzüge: „Wohnzulage, Krankenkasse und Schulgeld!“
„Schulgeld“, streifte mich ein Begeisterungsschub. „Das heißt, wir leisten uns eine Privatschule und das könnte durchaus ein Entscheidungsfaktor sein!“ – und begann, von dem knüppelharten, deutschen Schulsystem angeschlagen, eine Strichliste in Pro und Contra auf einen Schmierzettel zu kritzeln.
„Hawaii“, schwatzte der Ehemann der Schmiertabelle ein Positiv auf und fuhr von Honolulu bis Sri Lanka und zurück, wobei der leidenschaftliche Surfer in ihm überhand nahm und hinzusetzte, „hat ähnliche Temperaturen, ein Meer, Wind und mit ziemlicher Sicherheit Wellen.“
Mit der Aussicht auf Wind und Wellen nahmen Andreas Augen einen verklärten Glanz an, sodass ich um seine Objektivität fürchten musste.
„Tobte da nicht…“, zog ich die Familienaufmerksamkeit auf mich, lenkte listig von der begehrten Freizeitperspektive ab und legte eine angemessene Pause ein, bevor ich zielstrebig einen hässlichen Flecken auf das eben noch paradiesische Bild Sri Lankas kleckerte. „Tobte da nicht ein wütender Bürgerkrieg zwischen den im Süden und Westen lebenden Singhalesen und den im Norden und Osten ansässigen Tamilen?“, schloss ich meine angefangenen Bedenken und legte damit die Fährte auf einen realitätsnahen Pfad.
Jener Einwurf bestürzte jedoch nicht den Mann, sondern die drei Kinder, die bislang stumm zugehört hatten und nun mit meiner Hilfe einen Entschluss gefasst hatten.
„Auf gar keinen Fall!“, verkündeten sie in seltener Eintracht und pochten auf ihre Stimmenmehrheit. Konservativ bis in die Zehenspitzen schworen sie, niemals ihre kleinen Füße auf Sri Lankas explosiven Boden zu setzen.
„Wir sind doch nicht blöd!“, erklärten sie und tippten sich abfällig an die Stirn. „Viel zu gefährlich, bei so 'nem Krieg!“
Ich versuchte mich in Schadensbegrenzung.
„Das merken wir doch gar nicht“, wedelte ich mit der Hand, die eben noch von mir geschürten Ängste davon und lachte gespreizt.
„Stellt euch vor“, holte ich meinen Begeisterungsschub von eben zurück. „Da besucht ihr dann eine internationale Schule und lernt nebenbei Englisch!“ Mein Manöver zeigte Wirkung.
Nur nicht die Wirkung, die ich mir erhofft hatte.
„Englisch!?“, entrüstete sich der damals neunjährige Fabian und als Ältester automatisch auch der Wortführer. „Ja, so was kann ich überhaupt gar nicht lernen!“ – und zog die Geschwister Caro und Willi gleich mit in sein pessimistisches Boot, wo sie meuterten, bis ich zum Mittagessen rief.
Fortan berieten wir uns fernab der Kinderohren, waren die nächsten Tage gründlich mit Gehirnzellenakrobatik beschäftigt. Mit jenen Zellen turnten wir über das ehemalige Ceylon und kritzelten alles, was wir auf die Schnelle an Informationen zusammentragen konnten, in unsere Bewertungstabelle, der wir unterdessen ein ordentliches Stück Papier zur Verfügung gestellt hatten. Mit einem zittrigen Strich trennte ich Plus von Minus und notierte auf der Plusseite Ayurveda, kilometerlange Sandstrände, herrliches kurze-Hosen-Wetter und Curry, Zimt und Tee. Bei „Ceylon Tee!“ entwischte mir ein wehmütiger Seufzer und im Stillen nahm ich Abschied von der morgendlichen Koffeindosis, die meinen lahmen Frühstückskreislauf in Schwung brachte, übertrug den an Sri Lankas Grenzen nagenden Indischen Ozean wegen Wind und Wellen ins Plus und hielt bei der Kokosnuss inne, bevor ich sie im Minus einwies. Überrascht sah mich Andreas an und bekam als Erklärung, dass ich jene
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