Sterblich
Festplatte war. Nein. Nur Fire-Cracker 2.0. Von Hintergrundmaterial und Dokumenten macht er sich Kopien, die er in Ordnern ablegt, und ein Excel-Blatt mit einer Übersicht über seine Quellen gibt es nicht.
Kopfschüttelnd bleibt er mitten im Wohnzimmer stehen. Hinter ihm liegt ein langer, ereignisreicher Tag, und als Krönung ist nun auch noch jemand in seine Wohnung eingebrochen. Okay, Jungs, denkt er. Ihr seid gut. Ihr seid in meine Wohnung eingedrungen und wieder gegangen, ohne groß Spuren zu hinterlassen, und ihr habt mir eine klare Nachricht hinterlassen: Wir können dich jederzeit kriegen und dir nehmen, was dir wichtig ist.
Das ist doch alles nur Schreckenspropaganda. Aber wirkungsvoll. Er spürt, wie seine Knie nachgeben, als es plötzlich hart und energisch an der Tür klopft. Er rechnet fast damit, dass es die Polizei ist. Vielleicht hat Brogeland es doch nicht geschafft, Arild Gjerstad lange genug zurückzuhalten, damit Henning erst einmal in Ruhe nachdenken kann, aber es ist weder Brogeland noch Gjerstad oder die Idioten, die gerade hier waren.
Es ist Gunnar Goma.
»Die Tür war offen«, sagt er mit lauter Stimme.
Henning versucht, ruhiger zu atmen, spürt aber ein Brennen in der Brust und heißes Kribbeln in den Handflächen. Goma kommt ohne Einladung herein. Er trägt noch immer die roten Shorts, aber ein weißes Unterhemd.
»Wenn das irgendwelche Schwulenspielchen sind, habe ich Ihnen das letzte Mal einen Gefallen getan«, sagt Goma.
»Wie meinen Sie das?«
»Schwulenkram eben. Die Leute, die da bei Ihnen waren, die sahen beide total schwul aus. Wenn Sie hier irgendwelchen Schweinkram veranstalten, dann ohne mich.«
Henning geht einen Schritt auf ihn zu. Er verspürt einen unmittelbaren Drang, ihm zu sagen, dass er alles andere als schwul ist, ist aber viel zu neugierig.
»Sie haben gesehen, wer hier war?«
Goma nickt.
»Wie viele waren das?«
»Zwei.«
»Können Sie die beschreiben?«
»Muss ich?«
»Nein, Sie müssen nicht, aber das wäre sehr nett von Ihnen.«
Goma seufzt.
»Die waren beide ziemlich dunkel. Also, dunkle Hautfarbe, meine ich. Bestimmt Muslime. Gepflegte Bärte. Der eine – also der hatte irgendwie keine richtigen Haare, die sahen wie aufgemalt aus. Ein ganz spezielles Muster. Der war total dünn und hat sich bewegt wie eine Schwuchtel.«
»Sonst noch was?«
»Der andere hat sich genauso bewegt. Wie der den Arsch geschwungen hat, also wirklich, und den einen Arm leicht angewinkelt beim Laufen.«
Goma schneidet eine Grimasse.
»Haben Sie sein Gesicht gesehen?«
»Die gleiche Art Bart. Dünn, aber gleichmäßig und schnurgerade ausrasiert. Der war etwas dicker als die andere Schwuchtel. Ach ja, und der hatte einen bandagierten Finger. An der linken Hand, glaube ich.«
»Wann war das?«
»Etwa vor einer Stunde. Eigentlich war es purer Zufall, dass ich sie gehört habe, ich war nämlich gerade auf dem Weg ins Bett.«
»Wie lange waren sie in meiner Wohnung?«
»Zuerst dachte ich, Sie wären schon zu Hause, weil es so still im Flur wurde, aber dann habe ich sie wieder nach unten trampeln hören. Was soll ich sagen, vielleicht zehn Minuten. Ich habe sie mir dann noch einmal durch den Türspion angeguckt. Also, wenn das irgend so eine Schwulengeschichte ist, dann …«
»Ist es nicht.«
Er geht nicht weiter darauf ein, und Goma scheint die knappe Erklärung zu akzeptieren.
»Danke, vielen Dank«, sagt Henning. »Sie haben mir sehr geholfen.«
Goma brummt, dreht sich um und geht zur Tür.
»Übrigens«, sagt er, als er die Hand auf die Klinke legt, »der eine der beiden trug so eine schwarze Lederjacke, kohlrabenschwarz mit Flammen auf dem Rücken.«
BBB . Bad Boys Burning. Das müssen sie gewesen sein, denkt Henning. Er nickt und bedankt sich noch einmal. Dann sieht er auf die Uhr. Viertel nach eins. Trotzdem ist er alles andere als müde. So viel ist geschehen, und alles muss irgendwie überdacht werden.
Goma knallt die Tür hinter sich zu. Nachdem das Geräusch verklungen ist, hört sich seine Wohnung erschreckend leer an, als befände er sich inmitten eines Vakuums. Er holt einen Schrubber und drückt ihn unter die Klinke. Sollte wieder jemand versuchen, bei ihm einzubrechen, würde er das merken. Außerdem hätte er so die Zeit, die Wohnung rechtzeitig zu verlassen.
Er zieht das Rettungsseil unter dem Bett hervor und knotet ein Ende um den Fernsehtisch. Der Fernseher allein wiegt vierzig Kilo, und mit all den DVD s und dem Möbelstück sollte das
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