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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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Mahmoud sitzt schließlich noch in Untersuchungshaft, und der Fall ist lange noch nicht abgeschlossen.
    Als er Tariqs Äußerungen eine halbe Stunde später eingetippt hat, entschließt er sich, den Fokus auf das Positive zu richten, was Tariq über seinen Bruder gesagt hat.
    Mein Bruder ist ein guter Mann.
    Nicht unbedingt originell, aber wenigstens etwas. Er schreibt weiter.
    Tariq Marhoni nutzte die letzten Augenblicke seines Lebens, um Gutes über seinen des Mordes verdächtigen Bruder zu sagen. Lesen Sie hier das exklusive Interview.
    Er weiß, dass sein Artikel gelesen werden wird, auch wenn er inhaltlich nichts wirklich Spannendes zu bieten hat. Letzte Worte haben eine gewisse Anziehungskraft, wie auch immer sie lauteten. Und bei der Exklusivität wie in diesem Fall wird jeder, der sich auch nur ansatzweise für die Sache interessiert, den Text anklicken. Und die anderen Medien werden den Artikel nach möglichen Zitaten durchforsten, die sie dann selber bringen können. In etwa: »… sagte Tariq Marhoni nur wenige Augenblicke vor seinem Tod zu 123nyheter .«
    Zitate. Abgesehen von den Annoncen und vollen Kassen geht es für viele Medien darum, zitiert zu werden. Zugleich sind diese Zitate häufig auch der Quell der größten Ärgernisse in einer Redaktion, besonders bei den kleineren Medien, weil die Großen oft nicht erwähnen, woher ihre Zitate stammen.
    Das ist Alltagsgeschäft. Die Großen haben Angst davor, dass die Kleinen groß werden könnten, weswegen sie sich großzügig über Anstand und Urheberrecht hinwegsetzen. Wenn man es nicht gar Diebstahl nennen will, wenn zum Beispiel im Nachhinein die exakt gleichen Quellen angefragt und um die gleichen Aussagen gebeten werden, sodass man hinterher hartnäckig und ohne wirklich schlechtes Gewissen behaupten kann, »selbst die gleiche Idee gehabt zu haben«. NRK ist mittlerweile zu der Praxis übergegangen, grundsätzlich keine Quellen mehr zu nennen, wenn über eine Sache schon in mindestens zwei Zeitungen berichtet wurde.
    Er weiß nicht, ob sich diese Vorgehensweise im Laufe der letzten beiden Jahre, in denen er außer Gefecht gesetzt war, geändert hat, aber im Fall von Tariq können sie die Quellen nicht weglassen. Da ist es unmöglich, da müssen sie richtig zitieren, sicher zur großen Freude von Heidi Kjus und Iver Gundersen.
    Nein, Gundersen ist das vermutlich egal.
    Er denkt an BBB . Bad Boys Burning. Was für ein seltsamer Name für eine Gang. Da scheint jemand das große Bedürfnis zu haben, Warnungen auszusenden. Bandidos. Hell’s Angels. So langsam wird seine Neugier für BBB geweckt. Er tippt den vollständigen Namen der Gang bei Google ein und erhält in Windeseile Tausende von Antworten. Das meiste ist unwesentlich und oberflächlich. Eine Kritik des Films Bad Boys – Harte Jungs , ein Artikel über einen krächzenden Schweden, der vor ein paar Jahren einen Hit namens »Burning« hatte, Menschen, die als Bad Boys bezeichnet werden, und lediglich eine Info, dass sich eine Gang aus Furuset diesen Namen gegeben hat.
    Das einzige Relevante, das er findet, ist ein sechs Monate alter Artikel in der Aftenposten über eine Vendetta in ebendiesem Furuset. Im Googletext steht nichts über BBB , aber als er den Link anklickt, schnürt es ihm die Kehle zu. Der Artikel stammt von Nora. Da hat sie sich aber wirklich auf gefährliches Terrain begeben. Gangs werden in der Regel mit Drogen, Auftragsmorden und kriminellen Wannabes assoziiert. Mit Menschen, die auf der Suche nach einer eigenen Identität sind. Aus den gleichen Gründen werden manche Menschen auch zu Hooligans. Sie wollen dazugehören, ein Teil von etwas sein.
    Noras Titel lautet: Brutale Abrechnung in Furuset . Er sieht sich den Artikel an. Keine Bilder vom Tatort. Nur eine Illustration, eine Axt auf einem Baseballschläger. Er tippt, dass Nora an diesem Abend die Redaktionsaufsicht hatte und Aftenposten nicht bereit war, ein aktuelles Foto von Scanpix zu bezahlen. Wenn inzwischen nicht auch bei Scanpix gespart wird.
    Trotzdem hat Nora einen guten Job gemacht. Das erkennt er sofort. Sie hat mit dem Einsatzleiter gesprochen, einem der Chefs der Abteilung für Bandenkriminalität in Oslo, mit zwei Augenzeugen und mit einem Aussteiger aus der Gang, der selbst mal ein hohes Tier bei denen war und der im Interview etwas darüber sagen konnte, worum es bei diesen Abrechnungen geht. Mindestens fünfzig Zeilen über eine Sache, die in den meisten anderen Zeitungen nur mit einer kurzen Notiz

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