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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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wäre Nachrichten von gestern?«
    »In gewisser Weise ja. Andererseits nein.«
    »Mord verliert wahrscheinlich nie an Aktualität«, sagt Tore und zündet sich seine Zigarette an.
    »Nein.«
    Tore steckt das Feuerzeug in die Jackentasche und nimmt einen tiefen Zug. Henning betrachtet ihn.
    »Henry war ein tolles Mädchen. In vielerlei Hinsicht. Sie mochte Menschen. Manchmal vielleicht ein bisschen zu sehr .«
    »Wie meinen Sie das?«, fragt Henning und denkt, dass er das Aufnahmegerät hätte anstellen sollen. Aber dazu ist es jetzt zu spät.
    »Sie war extrem kontaktfreudig und – wie soll ich das sagen – manchmal übertrieben begeistert von allen , wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Tore nimmt einen weiteren Zug, bläst den Rauch aus und sieht sich um. Er nickt einem Mädchen zu, das vorbeigeht.
    »Hat sie gern geflirtet?«
    Er nickt.
    »Es gab wohl kaum einen Menschen mit drei Beinen an dieser Schule, der nicht irgendwann Lust gehabt hätte …«
    Er bricht mitten im Satz ab und schüttelt den Kopf.
    »Das ist total krank«, sagt er. »Ich meine, dass sie tot ist.«
    Henning nickt stumm. »Haben Sie mal ihren Freund getroffen?«
    »Mahmoud Marhoni?«
    Tore spuckt seinen Namen aus und lässt den ch-Laut betont fauchen.
    »Ja?«
    »Mir ist völlig schleierhaft, was Henry an diesem Idioten fand.«
    »Ist er ein Idiot?«
    »Ein Mega-Idiot. Kurvt in einem fetten BMW rum und hält sich für tough. Schmeißt mit Geld nur so um sich.«
    »Er war spendabel?«
    »Ja, aber auf die völlig verkehrte Art. Der hat es gebracht, seine Kreditkarte auf den Tresen zu legen und zu sagen, dass alle Freunde von Henry ruhig Bier bestellen und mit seiner Karte bezahlen sollen. Als wollte er verzweifelt beweisen, was für ein Kerl er war. Es würde mich nicht wundern, wenn …«
    Er unterbricht sich wieder.
    »Was würde Sie nicht wundern?«
    »Ich wollte sagen, dass es mich nicht wundern würde, wenn das schmutziges Geld ist, aber mir ist schon klar, dass das eindeutig rassistisch klingt.«
    »Mag sein, aber deswegen kann es ja trotzdem so sein?«
    »Dazu kann ich nichts sagen. Und nur, um es gesagt zu haben, ich bin kein Rassist.«
    »Das hab ich auch gar nicht gedacht.«
    »Aber der hat sie echt nicht verdient. Das ist ein Idiot.«
    Tore nimmt einen letzten Zug und wirft die Kippe auf den Boden, ohne sie auszutreten. Der weiße Stummel landet neben einer Pfütze und stößt blaugraue Dunstwolken aus.
    »Wie war die Beziehung zwischen den beiden?«
    »Stürmisch, könnte man wohl sagen.«
    »Inwiefern?«
    »Das war ein ständiges Auf und Ab. Mahmoud ist eher der eifersüchtige Typ. Eigentlich nicht weiter verwunderlich, so wie Henry drauf war.«
    Henning muss wieder an die Scharia denken.
    »War sie jemals untreu?«
    »Nicht, soviel ich weiß, aber es würde mich nicht wundern. Sie war ziemlich offensiv, liebte es, auf der Tanzfläche im Fokus aller zu sein, wenn man so sagen will. Lief in provozierenden Klamotten rum.«
    Er wendet sich mit traurigem Blick ab.
    »Gab es jemanden, mit dem sie mehr geflirtet hat als mit den anderen?«
    »Viele. Das waren, ähm, viele.«
    »Hat es Sie auch erwischt?«
    Henning schaut von dem Notizblock auf und begegnet seinem Blick. Tore lächelt und sieht zu Boden. Er seufzt.
    »Henriette saß nie alleine an einem Tisch. Ich glaube, die meisten hätten gern mit ihr zusammengearbeitet. Ich hatte sehr früh einen sehr guten Draht zu ihr. Wir hatten unglaublich Spaß zusammen, Henry und ich. Immer im Flirtton. Ich hatte gerade eine Beziehung beendet, als wir uns kennenlernten. Wir haben viel darüber geredet. Sie war sehr verständnisvoll, mitfühlend, herzlich. Sie war eine der wenigen, die zugehört hat. Und wenn ich ihr mein Herz ausgeschüttet habe, gab es zum Trost immer eine Umarmung. Eine lange Umarmung. Ich hab ihr in dem halben Jahr ziemlich oft mein Herz ausgeschüttet, kann man sagen.« Er lacht.
    Henning stellt es sich vor, stellt sie sich vor. Hübsch, fröhlich, offen, sozial, verführerisch. Wer umgibt sich nicht gern mit einem derart sonnigen Gemüt?
    »Es passierte leicht, dass man ihre Wärme falsch interpretierte, als Interesse, als Flirt. Das ist mir einmal passiert. Ich habe versucht, sie zu küssen, und …«
    Er schüttelt erneut den Kopf.
    »Sie war nicht ganz einverstanden, um es mal so zu sagen. In dem Augenblick war ich einfach nur wütend, weil ich dachte, dass sie mich schließlich so weit gebracht und mich in ihr Netz gelockt hat, bloß um mich dann wegzustoßen. Als

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