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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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wenn sie das alleine entscheiden könnte. Catch and release . Die nächsten Wochen war ich ziemlich sauer auf sie, aber nach und nach ließ das nach. An einem Abend, als wir mit der Clique in der Stadt unterwegs waren, haben wir uns ausgesprochen. Sie wollte gerne mit mir befreundet sein, hat sie gesagt, aber mehr nicht. Und ich wollte viel lieber mit ihr befreundet sein, als einen Haufen Energie zu verpulvern, weil ich verschmäht worden war. Danach waren wir sehr gute Freunde.«
    »Hat es Sie nicht weiter interessiert, dass sie mit Mahmoud zusammenkam?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich wusste ja, dass sie nicht auf mich scharf war. Aber klar – ein bisschen Neid ist ja wohl erlaubt.«
    Henning nickt. Tore zündet sich eine neue Zigarette an.
    »Haben Sie eine Idee, wer sie ermordet haben könnte?«
    Tore dreht sich zu ihm um.
    »Glauben Sie nicht, dass es Mahmoud war?«
    Henning zögert einen Augenblick, kann sich nicht entscheiden, wie ehrlich er sein soll, weil er das Gefühl hat, dass Tore ziemlich viel redet, mit ziemlich vielen Leuten.
    »Er wurde festgenommen, aber man kann ja nie wissen.«
    »Jemand anderes als Mahmoud fällt mir nicht ein.«
    »Wissen Sie, ob sie außer Mahmoud noch andere muslimische Freunde hatte?«
    » Plenty . Henry war mit allen befreundet. Und alle wollten mit Henriette befreundet sein.«
    »Was ist mit Anette Skoppum?«
    »Was soll mit ihr sein?«
    »Sie hat mit Henriette zusammengearbeitet, wenn ich es richtig verstanden habe.«
    Tore nickt.
    »Kennen Sie sie gut?«
    »Nein, kaum. Sie ist Henriettes genaues Gegenteil, könnte man sagen. Sagt sehr wenig. Hat angeblich Epilepsie, aber ich habe sie nie einen Anfall bekommen sehen. Gibt selten was von sich preis. Jedenfalls nicht, wenn sie nüchtern ist. Wenn sie getrunken hat hingegen …«
    »Da wird sie lockerer?«
    »Tja, gelinde ausgedrückt. Wissen Sie, was sie immer sagt, wenn sie einen in der Krone hat?«
    »Nein?«
    » Was hat es für einen Sinn, ein Genie zu sein, wenn keiner es merkt? « Tore äfft ihre Stimme nach und lacht. »Wenn jemand einen Grund hat, nicht allzu hoch von sich zu denken, dann sie. Nicht sonderlich intelligent. Ich kenne mindestens drei Typen, die ihr im Rausch an die Wäsche gegangen sind. Dabei glaube ich eigentlich, dass sie lesbisch ist.«
    »Wieso erzählen Sie mir das?«
    »Eigentlich unfair, das zu sagen, aber ich glaube es eben. Geht es Ihnen nicht auch manchmal so mit Menschen? Dass Sie sicher sind, etwas über sie zu wissen?«
    »Genau genommen ständig.«
    »Sie konnte Henriette jedenfalls gut leiden, das war schwerlich zu übersehen. Aber da ging es ihr nicht anders als allen anderen. Verdammt aber auch«, sagt Tore und schüttelt wieder den Kopf.
    »Ich hätte mich ja gern auch mit Anette unterhalten. Sie haben nicht zufällig ihre Handynummer?«
    Tore holt sein Handy heraus, ein glänzendes, dunkelblaues Sony Ericsson.
    »Ich glaube schon.«
    Er tippt auf ein paar Tasten und hält Henning das Display hin, der sich die acht Zahlen notiert.
    »Danke«, sagt er. »Mehr wollte ich gar nicht wissen. Haben Sie noch was hinzuzufügen?«
    Tore erhebt sich von der Bank.
    »Nein. Aber ich hoffe, die Polizei hat den Richtigen geschnappt. Am liebsten hätte ich …«
    Er stockt.
    »Was hätten Sie am liebsten?«
    »Vergessen Sie’s. Jetzt ist es ohnehin zu spät.«
    Tore Benjaminsen hebt eine Hand, verabschiedet sich von Henning und geht auf die rote Treppe zu.
    »Danke für das Gespräch.«
    »Ebenso.«
    Henning bleibt sitzen und sieht ihm nach. Tore gibt sich cool mit seiner über den Hintern runtergerutschten Hose. Björn Borg ist auch wieder an seinem Platz.

38
    Er bleibt noch eine Weile auf der Bank sitzen, nachdem Tore gegangen ist. Ein schöner Platz. Gemütlich. Kein Bittersüßer Nachtschatten weit und breit. Leider kann er Anette nirgendwo entdecken. Es sind zig Leute in dem Gebäude ein- und ausgegangen, und bei jedem ist sein Blick zu der roten Steintreppe gewandert, aber ohne Erfolg.
    Er beschließt, sie anzurufen. Als er die Nummer eintippt, stellt er fest, dass es schon halb zwei ist. Welche Repressalien ihn wohl erwarten, falls er die sagenumwobene Vollversammlung verpasst?, fragt er sich, hofft aber, dass Sture ihm aus alter Freundschaft später eine Kurzversion gibt. Außerdem hat er eine ungefähre Vorstellung, was der Chef sagen wird. Wegen unvorhersehbarer Schwankungen am Anzeigenmarkt sehen wir uns gezwungen, die Ausgaben zu reduzieren. Kurzfristig wird das noch keine

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