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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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E s war ein matter Sommer, lauter lausige Tage, und niemand von uns ließ hören, wie man Druck hätte machen können. Wir schliefen zu lange, hatten kaum Appetit und saßen am frühen Nachmittag vor den leeren Kneipen, wenn der süßliche Schweiß der vergangenen Nacht noch in den erkalteten Räumen hing. Meist redete einer zuviel, und die anderen blickten die Straße entlang, wo sich das ferne Leben abspielte, auf das niemand schon scharf war. Ich hatte mir orientalische Zigaretten gekauft, die Schachtel für mehr als 5 Mark, und ich konnte nicht aufhören mit dem Rauchen, selbst nicht, als der Mund ganz trocken war und ein beizender, metallischer Geschmack auf der Zunge lag. Aus irgendeinem Fenster dröhnte Musik, nichts Nerviges, nur diese Sachen von gestern, verspätet und dröge. Das Bier schmeckte lau, wir schoben die Gläser schwerfällig über die verschmierten Plastiktische und tranken doch mit nur kurzen Pausen, als drohe die feine Gischt bald zu verebben. In Gedanken ging jeder die Schauplätze des Abends durch, sich ausmalend, was sie ihm bringen würden. Es war alles ein Warten, nur einer wechselte laufend den Platz, um soviel Sonne wie möglich mitzubekommen. Ich mochte diese empfindlichen Stunden nicht, ich kam nicht an gegen die Lautlosigkeit, und so saß ich wie die anderen ungelenk herum, mit dem Stuhl auf und ab wippend. Manchmal machte sich einer auf, eine Runde zu drehen, doch wir schauten ihm nicht hinterdrein, da es unruhig machte, ihn davongehen
zu sehen. Später stieß er wieder zu uns, irritiert und warm getankt, als habe er sich verlaufen und sei froh, uns wiedergefunden zu haben. Worüber sollte man reden, um auf Touren zu kommen? Noch immer beherrschten uns diese verkappten Antriebe, sie beschäftigten einen wie wacklige Bilder im frühen Schlummer, und man verdrängte sie ebenso schnell, wie sie aufkamen. Wir saßen immer unbeweglicher da, die Glieder wurden steif vor lauter Selbstbeherrschung, mit der man sich gegen den halben Rausch anstemmte. Dann kam die Abendkühle hinzu, Wellen kurzen Schauderns, die bis in die Fingerspitzen reichten. Die Gläser waren nun von einem klebrigen Film überzogen, und man trank vorsichtiger, um mit den Lippen nicht zu lange das Glas zu berühren. Einer las das Filmprogramm herunter, doch die Titel bewegten nichts mehr wie früher. Ein anderer schaute plötzlich auf die Uhr, als sei ihm etwas eingefallen. Wer es nun packte, entschlüpfte dem dunklen Kreis, hinaus in den Abend. Ich war meist zu langsam, ich rauchte weiter, sank in den Stuhl zurück und atmete schließlich tief durch, um den Absprung einzuleiten. Ich zahlte, indem ich mich von den anderen wegdrehte. Wir hatten nicht mehr viel gemeinsam, jeder ahnte es, und doch warteten alle beschwörend. Ich klinkte mich aus, langsam nahm mich die schwere Fremde um mich herum wieder auf. Ich sprach leise mit mir, es war eine halbherzige Sprache, und es klang wie zur Probe. Dann der anströmende Verkehr, und eilig, dem ersten Impuls folgend, mischte ich mich hinein…
     
    Wir lebten in Wiesbaden, und die Stadt war gerade richtig für dieses betäubte Dasein. Früher war es die Stadt der ruhigen Mieter gewesen, jetzt aber hatten die Rentner und Pensionäre, die noch Mäntel mit schmalem Pelzbesatz trugen,
längst das Nachsehen. Jeder von uns war auf anderem Weg und zu einem anderen Zeitpunkt hierher gekommen, doch irgendwann hatten wir einmal zusammengefunden, als habe es schon immer eine Verabredung gegeben. Die meisten von uns waren auf dem Land aufgewachsen, in den Dörfern des Hunsrücks oder am Mittelrhein, und zumindest eine Zeitlang hatten alle dasselbe Gymnasium in der Kreisstadt besucht, einen hellen, manisch zergliederten Bau aus den frühen siebziger Jahren, für den man ein halbes Waldgelände brachgelegt hatte. Aus dieser Zeit kannten wir uns; es gab die langen Nachmittage mit den Freistunden zwischen den Chemiekursen, und es gab das heruntergekommene Café nahe dem Omnibusbahnhof, wo sich einem jedes Gesicht einprägte und Phantasien darüber aufkamen, mit wem man gerne gesprochen hätte. Doch all diese Neugierden blieben lange gedämpft, als müßte man damit haushalten, bis es ernst werden würde. Am frühen Abend fuhren die meisten mit dem Bus in ihre Dörfer zurück, und für die Nacht blieb alles zerschnitten, gehemmt und reglos wie in den Kindertagen.
     
    Weil wir so auf Distanz wohnten, wurden Freundschaften besonders wichtig. Ich war meist mit Blok zusammen, in der Schule saßen wir

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