Sterblich
haben Sie sie vergewaltigt und in ein Loch im Boden gesteckt. Danach haben Sie schwere Steine genommen und sie damit beworfen, bis sie tot war. Die passende Strafe, nicht wahr? Für Untreue?
YASHID sieht die KOMMISSARE an. Yashids ANWALT beugt sich zu YASHID hinüber und flüstert ihm etwas ins Ohr. YASHID beugt sich vor.
YASHID:
Ich liebe Mona. Ich bin unschuldig.
Die KOMMISSARE seufzen und tauschen Blicke.
Textplakat vor schwarzem Hintergrund: Fünf Monate später.
INNEN – GERICHTSGEBÄUDE OSLO – TAG:
YASHID sitzt mit seinem ANWALT zusammen. Ein paar Plätze hinter ihm sitzt HARALD GAARDER . Er ist schwermütig und gereizt. Auch FAROUK IQBAL ist im Saal. Er sieht ängstlich aus. Der RICHTER betritt den Gerichtssaal. Alle stehen auf.
RICHTER:
Bitte nehmen Sie Platz.
Alle setzen sich. Der RICHTER blickt zu den GESCHWORENEN .
RICHTER:
Sind die Geschworenen zu einem Urteil gekommen?
DER VORSITZENDE DER GESCHWORENEN:
Ja, das sind sie.
INNEN – GERICHTSGEBÄUDE OSLO – TAG:
Nahaufnahme YASHID . Er blickt zu Boden. Er ist sichtlich nervös. Die Kamera zoomt aus. Hinten im Saal sitzt MERETE . Ihr Bild wird scharf. Der Fokus richtet sich auf sie, während der VORSITZENDE der Geschworenen den Schuldspruch verkündet.
VORSITZENDER:
Im Verfahren gegen Yashid Iqbal hat die Jury den Angeklagten in allen Anklagepunkten für schuldig befunden.
Im Saal bricht Jubel aus. MERETE sieht zu HARALD GAARDER . Sie lächelt ihn an. GAARDER wendet seinen Blick ab und geht. MERETE holt ihr Handy heraus. Sie schreibt eine SMS . Wir sehen, was sie schreibt.
»One down. Plenty more to go.«
Sie scrollt ihre Kontakte durch, findet MONA und drückt auf »Senden«.
ENDE
Ein bisschen enttäuscht legt er das Manuskript beiseite und reibt sich die Augen. Der Trailer hat einen blutrünstigen Thriller versprochen, letztlich war es aber nur ein mittelmäßiges Drama. Er hatte erwartet, dass das Drehbuch für ihn die Büchse der Pandora sein würde. Aber da stand weder etwas von einem Elektroschocker noch von Auspeitschen und abgehackten Händen. In seinem Kopf meldet sich die Frage, ob es vielleicht noch eine zweite, härtere Version des Drehbuchs gibt.
Der Plot des Films ist ganz in Ordnung. Zwei Frauen inszenieren einen Mord und sorgen dafür, dass der Liebhaber der einen Frau für den Mord verurteilt wird, obgleich er unschuldig ist. Das Ganze ist also nur eine erdachte Situation, räsoniert Henning, ein Wunschszenario. Übertragen auf das wirkliche Leben müssten Mona und Merete Henriette und Anette sein, während Mahmoud Marhoni Yashid Iqbal ist. Und Tariq Farouk.
So weit, so gut, denkt Henning. Und bis dahin stimmt das meiste auch mit seinen Vermutungen überein. Mahmoud Marhoni ist unschuldig, jemand versucht aber, es genau andersherum aussehen zu lassen. SMS , Andeutungen über Untreue, ein letzter, rauer Fick, der fast schon an eine Vergewaltigung grenzt. Es ist für einen Angeklagten nicht leicht, sich von dieser Art Beweise zu befreien, erst recht nicht, wenn der Angeklagte im Verhör schweigt.
Aber wer ist Harald Gaarder? Der Familie und ihrem Schicksal wurde im Skript so viel Raum eingeräumt, dass sie wichtig sein muss. Aber sind sie das im wirklichen Leben auch? Das Ganze ist nur ein Film undnicht notwendigerweise ein Spiegelbild der Wirklichkeit.
Trotzdem spielt er mit dem Gedanken. Harald Gaarder war mit Mona untreu, mit wem sonst, und Untreue wird durch Steinigen bestraft. Aber warum am Ende dieser Blickwechsel zwischen Gaarder und Merete? Warum hat sie gelächelt?
Der Gaarder-Charakter muss auch Anette gekannt haben. Jemand im Bekanntenkreis der Mädchen muss ein Verhältnis mit Henriette gehabt haben, denkt er. Der Einzige, der ihm nach allen, die er bisher kennengelernt hat, in den Sinn kommt, ist Yngve Foldvik. Aber Foldvik hat das Skript nicht gelesen, er kann es also nicht sein. Außer Foldvik lügt. Aber warum sollte er diesbezüglich lügen? Er weiß sicher, dass solche Behauptungen leicht zu widerlegen sind, wenn die Polizei sich erst einmal dafür zu interessieren beginnt. Spuren auf seinem Computer oder Ausdrucke des Skripts, die irgendwo in seinem Büro oder zu Hause bei ihm herumfliegen. Wird ihm eine derart simple Lüge nachgewiesen, sind ihm Handschellen und ein Ausflug ins Gefängnis in Ullersmo gewiss. Es muss andere Erwachsene geben, denkt er. Eine andere Familie. Anettes, vielleicht? Oder Henriettes?
Er denkt an Henriette. Hübsch, nett, extrovertiert. Was bist du eigentlich für
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