Schattenkinder
Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
Margaret Peterson Haddix
Schattenkinder
– 1 –
Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
Inhalt
Kapitel 1
3
Kapitel 2
5
Kapitel 3
8
Kapitel 4
12
Kapitel 5
14
Kapitel 6
16
Kapitel 7
17
Kapitel 8
19
Kapitel 9
22
Kapitel 10
24
Kapitel 11 26
Kapitel 12
27
Kapitel 13
29
Kapitel 14
30
Kapitel 15
32
Kapitel 16
35
Kapitel 17
39
Kapitel 18
44
Kapitel 19
47
Kapitel 20
50
Kapitel 21
52
Kapitel 22
55
Kapitel 23
58
Kapitel 24
59
Kapitel 25
60
Kapitel 26
62
Kapitel 27
64
Kapitel 28
68
Kapitel 29
71
Kapitel 30
75
– 2 –
Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
Kapitel 1
In der Ferne sah er den ersten Baum erzittern und fallen. Dann hörte er seine Mutter durch das Küchenfenster rufen: »Luke, komm sofort ins Haus!«
Er hatte den Befehl, sich zu verstecken, noch nie missachtet. Selbst als Kleinkind, als er im Garten hinter dem Haus unsicher durchs hohe Gras getapst war, hatte er die Furcht in der Stimme seiner Mutter gespürt. Aber an diesem Tag, dem Tag, an dem sie den Wald zu roden begannen, zögerte er. Ganz tief atmete er die frische Luft ein, die nach Klee und Geißblatt duftete und - von weit, weit her - nach Kiefernrauch. Vorsichtig legte er die Hacke hin und genoss für einen letzten Moment das Gefühl von warmer Erde unter seinen nackten Füßen. »Ich darf nie mehr nach draußen. Vielleicht in meinem ganzen Leben nicht mehr«, sagte er zu sich selbst.
Er drehte sich um und ging ins Haus, still wie ein Schatten.
»Warum?«, fragte er an diesem Abend beim Essen. Es war eine Frage, die im Haus der Garners nicht oft gestellt wurde. Es gab viele »Wies«: Wie viel Regen hat das hintere Feld abbekommen? Wie geht es mit dem Säen voran? Oder auch »Was«: Was hat Matthew mit dem Fünfzehner-Schraubenschlüssel gemacht? Was will Vater wegen dem geplatzten Reifen unternehmen? Aber »Warum« tauchte bei ihnen nicht auf. Wieder fragte Luke: »Warum musstet ihr den Wald verkaufen?«
Lukes Vater räusperte sich und hörte auf sich ununterbrochen Gabelladungen voller Salzkartoffeln in den Mund zu schaufeln.
»Hab ich dir doch schon mal gesagt. Wir hatten keine andere Wahl. Die Regierung wollte es so und der Regierung kann man nichts abschlagen.«
Mutter kam herüber und drückte Luke aufmunternd die Schulter, bevor sie wieder an den Herd zurückging.
Sie hatten sich der Regierung ein Mal widersetzt - mit Luke. Dafür hatten sie allen Widerstandsgeist aufge-bracht, der in ihnen steckte. Vielleicht sogar mehr.
»Wenn wir nicht gemusst hätten, hätten wir den Wald auch nicht verkauft«, sagte sie und verteilte die dicke Tomatensuppe. » Uns hat die Regierung nicht gefragt, ob wir dort Häuser haben wollen.«
Sie schob die Unterlippe vor, als sie die Suppenteller auf den Tisch schob.
»Aber die Regierung wird doch gar nicht in den Häusern wohnen«, protestierte Luke.
Mit seinen zwölf Jahren wusste er es eigentlich besser, aber manchmal stellte er sich die Regierung immer noch als einen riesengroßen, bösen Fettwanst vor, zwei- bis dreimal so groß wie ein normaler Mensch, der herumging und die Leute anbrüllte: »Das ist verboten!« und »Hört auf damit!« Das lag an der Art und Weise, wie seine Eltern und die älteren Brüder über die Regierung sprachen: »Die Regierung lässt uns dort keinen Mais mehr anbauen.« - »Die Regierung drückt die Preise.« - »Dieses Getreide wird der Regierung nicht gefallen.«
»Bestimmt werden einige der Leute, die in die Häuser ziehen, für die Regierung arbeiten«, sagte die Mütter.
»Das sind alles Stadtmenschen.«
Wenn er gedurft hätte, wäre Luke zum Küchenfenster hinübergegangen, hätte in den Wald hinausgesehen und zum x-ten Male versucht sich dort endlose Häuserreihen vorzustellen, wo im Moment noch Tannen, Ahornbäume und Eichen standen. Oder vielmehr gestanden hatten - ein heimlicher Blick kurz vor dem Abendessen hatte ihm gezeigt, dass die Hälfte der Bäume inzwischen gefällt war. Einige lagen bereits ganz auf der Erde. Andere waren aus ihrer luftigen Höhe in bizarre Stellungen gestürzt. Die entstandenen Lücken ließen alles verändert aussehen, so wie ein frischer Haarschnitt einen ungebräunten Streifen Haut auf der Stirn bloßlegt. Selbst mitten in der Küche war für Luke spürbar, dass die Bäume fehlten, denn alles wirkte viel heller, offener, beängstigender.
»Und wenn diese Leute einziehen, muss ich dann wirklich von den Fenstern
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