Stern der Göttin
weißen Dämon Meandir, dem gelben Talien und dem grünen Tenelin unterworfen hatten.
»Der Große Strom, der Toisserech, bildet die Grenze zwischen uns und denen«, berichtete Ysobel weiter. »Er entspringt bereits als mächtiges Gewässer den Riegelbergen im Norden und fließt endlos lange fast genau nach Süden, bis er bei Vanaraan in die Bucht von Lanar mündet. Als unsere Göttinnen Linirias und Ilyna zusammen mit dem schwarzen Gott Giringar und die Dämonen des Westens vor fast neunhundert Jahren Frieden geschlossen haben, verpflichteten sich Meandir, Talien und Tenelin, ihre wilden Völker im Zaum zu halten und zu verhindern, dass sie den Toisserech überschreiten und Krieg mit unseren Leuten anfangen. Natürlich haben sie sich nicht daran gehalten! Erst kürzlich sind Heerscharen von Grünen im Süden mit großen Heeren über den Strom gekommen und haben viele unserer Reiche vernichtet. Wer nicht fliehen konnte, wurde gnadenlos niedergemetzelt. Als sich die Unseren endlich gerüstet hatten, um dieses Gesindel wieder auf ihre Seite zu jagen, hat Rhondh, der Oberhexer der grünen Seite, einen schrecklichen Fluch ausgesprochen und das eroberte Land mit einem magischen Wall umgeben, den niemand zu durchdringen vermag.«
Nun standen Ysobel Tränen in den Augen, und mit ein wenig Nachbohren brachte Laisa sie so weit, mehr über sich und ihre Sippe zu erzählen. »Ich war bei dem heiligen Ort meines Volkes weiter im Osten, als das Verhängnis über die Meinen kam. Später habe ich versucht, etwas über das Schicksal meiner Familie zu erfahren, doch die wenigen Freunde, die den Eroberern entkommen waren, haben mir nur von ihrem Tod berichten können.«
»Dein Heimatland ist also auch erobert worden«, schloss Laisa daraus.
Da stieß Toghann einen höhnischen Laut aus. »Diese violetten Landstreicher besitzen kein Land. Das ist heimatloses Gesindel!«
»Wir sind Tivenga, das wandernde Volk, und wir sind stolz darauf!«, wies Ysobel ihn zurecht.
Doch Toghann gab nicht auf. »Bettler seid ihr, Diebe, Betrüger und Schlimmeres!«
»Wenn du meinst!« Ysobel beachtete den Tawaler nicht weiter, sondern wandte sich wieder Laisa zu. »Mein Volk wird in allen Reichen des Ostens – der roten Seite des Großen Stromes, wie wir sie nennen – willkommen geheißen. Wir ziehen von Jahrmarkt zu Jahrmarkt und erfreuen die Menschen mit Spiel und Gaukelei. Viele von uns besitzen die Gabe der Heilkunst oder der Voraussage, andere sind geschickte Handwerker und Tierbändiger. Nur ein bornierter T’wooler wie Toghann wird uns schmähen.«
»Dir zeige ich gleich einen bornierten T’wooler«, fuhr Toghann auf.
»Ich glaube nicht, dass du mir etwas antun kannst, es sei denn, deine Fesseln zerspringen wie von Zauberhand!« Ysobel beachtete Toghann jedoch nicht weiter, sondern berichtete Laisa von den Völkern des Ostens. So erfuhr diese, dass die Seite des Stromes, auf der sie sich befanden, die goldene Seite genannt wurde, nach der gemeinsamen Oberfarbe von Weiß, Gelb und Grün, so, wie auf ihrer eigenen Seite Rot die Oberfarbe von Blau, Violett und Schwarz darstellte.
Während Laisa aufmerksam zuhörte, spürte sie, dass sie nicht alles unvoreingenommen glauben durfte, was ihre neue Freundin ihr erzählte. So gut und glorreich, wie die Tivenga behauptete, konnten die Völker auf der östlichen Seite des Großen Stromes nun auch nicht sein. Immerhin zählten auch die Flussmäuler zu ihnen, und das Verhalten der beiden anderen menschlichen Gefangenen gab ihr ebenfalls Grund zum Nachdenken. Ilonah und Toghann stritten sich immer wieder und überschütteten zwischendurch Laisa mit Beschimpfungen. Die Wardan nannte sie eine weiße Missgeburt, während der Tawaler ihr die Räude in den Pelz wünschte.
Zuletzt fauchte Laisa so aufgebracht, dass die beiden erschrocken verstummten. »Was sind die beiden nur für dumme Leute?«, fragte sie Ysobel.
Die Violette grinste kläglich. »Die platzen vor Überheblichkeit, weil sie in ihrer Heimat etwas dargestellt haben, und vergessen darüber, dass sie jetzt dieselben armen Schweine sind wie du, ich oder Rongi.«
»Ich bin kein Schwein«, protestierte der Katzenjunge.
»Natürlich bist du das nicht – was immer das auch sein mag«, antwortete Laisa. »Passt gut auf alles auf, was um uns herum geschieht! Irgendwann werden wir diesen Kerlen schon noch ein Schnippchen schlagen. Ich bin nicht hierhergekommen, um mir von denen das Fell abziehen und mich als Trophäe ausstopfen zu
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