Schicksal in zarter Hand
PROLOG
Voll fieberhafter Spannung warteten die Zuschauer auf den Beginn des Rennens. Würden die Fahrer heute überhaupt starten können?
Der Wind hatte weiter aufgefrischt und peitschte das üblicherweise spiegelglatte Wasser der Bucht von Livorno zu kurzen, steilen Wellen auf. Die Bedingungen waren alles andere als ideal für einen Wettbewerb der launischen und schwer zu bändigenden Rennboote mit ihren Höchstgeschwindigkeiten von über zweihundert Kilometern pro Stunde.
Im Rennanzug, den Helm schon in der Hand, stand Francesco Tolle im Zelt des White Streak Teams. Den Blick hatte er auf den Computerbildschirm gerichtet, auf dem die Entscheidung der Rennleitung angezeigt werden würde.
„Was meinst du, wird das heute noch was?“, fragte Marco und stellte sich neben ihn.
Francesco, von allen kurz Franco genannt, zuckte die Schultern. Die Bedingungen machten ihm weniger Sorgen als die Tatsache, dass Marco das Rennen als sein Kopilot bestreiten sollte.
„Bist du dir sicher, dass du das schaffst?“, fragte er bemüht ruhig und hielt den Blick weiterhin auf den Bildschirm gerichtet. „Du wirkst nervös.“
„Wenn du mich nicht im Boot haben willst, sag’s doch einfach“, brauste Marco auf.
Schon seit einer Stunde lief er im Zelt hin und her wie ein Tiger im Käfig und fauchte jeden an, der es wagte, ihn anzusprechen. Das ist nicht die beste Verfassung für jemanden, der den Gashebel eines unglaublich starken Bootes bedienen soll, dachte Franco besorgt.
„Falls du es vergessen haben solltest, Franco, die Hälfte von White Streak gehört mir. Auch wenn du das gestalterische und technische Genie bist, wie du uns alle ständig wissen lässt.“
Franco riss sich zusammen. Er wollte nichts auf Marcos bockigen Ton erwidern, was er später bedauern könnte. Natürlich gehörte das Boot White Streak ihnen beiden, genauso wie die Firma gleichen Namens und ein weiteres Rennboot. In den vergangenen fünf Jahren waren sie mit den Booten bei den verschiedensten internationalen Rennen gestartet, seit drei Jahren allerdings nie mehr zusammen. Aus gutem Grund …
Heute hatte Franco sich ausnahmsweise dem Druck der Umstände gefügt und Marco gestattet, neben ihm im Cockpit zu sitzen. Immerhin ging es um die Meisterschaft, die erst bei diesem letzten Rennen entschieden wurde. Leider war sein sonstiger Kopilot Angelo schwer erkrankt und absolut nicht der Lage, am Wettbewerb teilzunehmen. Der Einzige, der ihn ersetzen konnte, war nun einmal Marco.
Es würde bestimmt keine Rolle spielen, dass es mit ihrer Freundschaft seit Jahren vorbei war. Schließlich ging es um den Sieg!
Das hatte Franco sich zumindest eingeredet. Nun stellte sich heraus, dass Marco sich gar nicht mehr wie der entspannte, coole Typ benahm, als den ihn jeder kannte.
„Was hast du nur gegen mich? Wir waren die besten Freunde“, meinte Marco rau. „Beinah unser ganzes Leben lang … bis ich diesen einen kleinen Fehler gemacht habe, und du …“
„Dass du mit meiner Frau geschlafen hast, würde ich nicht als kleinen Fehler bezeichnen“, unterbrach Franco ihn eisig.
„Damals war Lexi noch nicht deine Frau“, hielt Marco dagegen.
„Richtig. Aber wir hatten eine Affäre. Und du warst mein bester Freund.“ Endlich wandte Franco sich dem anderen zu und sah ihn eindringlich an.
Marco seufzte schwer. „Was, wenn ich behaupte, dass zwischen mir und Lexi gar nichts passiert ist?“, fragte er leise. „Dass ich das nur erfunden habe, weil ich einen Keil zwischen euch treiben wollte?“
„Aus welchem Grund?“
„Weil du dabei warst, deine glänzende Zukunft an einen Teenagerfilmstar wegzuwerfen“, konterte Marco frustriert. „Aber du hast Lexi ja trotzdem geheiratet, und ich habe mich wie der übelste Mistkerl aller Zeiten gefühlt. Sie hat nicht gewusst, dass ich dir etwas gesagt habe, oder? Du hast ihr das nie verraten.“
Die Lippen fest zusammengepresst, blickte Franco auf den Bildschirm.
„Sie kann es nicht gewusst haben“, überlegte Marco laut. „Sonst wäre sie nicht immer so nett zu mir gewesen.“
„Bezweckst du etwas mit diesem Gespräch?“, fragte Franco plötzlich gereizt. „Wir müssen uns auf das Rennen konzentrieren. Ich habe, wie man mir bestimmt deutlich anmerkt, keine Lust, mich mit dir über Vergangenes zu unterhalten.“
„Okay, meine Herren, alles klar zum Start!“, rief der Teammanager wie auf ein Stichwort hin vom anderen Ende des Zelts.
Franco wollte zum Ausgang, aber Marco hielt ihn am Arm
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