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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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befand, sah so aus, als hätte man sie verstärkt. Sie besaß einen dreieckigen Grundriss mit wuchtigen Türmen an jeder Seite, die nach den drei Göttern der goldenen Seite des Stromes benannt worden waren. Gemäß der Tradition in den grünen Ländern war der Tenelinturm der höchste und trug auch als einziger ein Dach aus Schieferplatten, während die nach Meandir und Talien benannten Türme nur schlichte Wehrgänge ohne Überdachung aufwiesen. Allerdings waren die Arbeiten an den Türmen noch nicht abgeschlossen, denn man konnte Gerüste sehen, die bis zur Oberkante der Mauern reichten. Arbeiter suchte er darauf jedoch vergebens.
    Diese entdeckte Khaton ein wenig außerhalb der Stadt bei einem großen, noch unfertigen Gebäude, in das ein Strom von Waren und Gütern getragen wurde. Um das Haus herum scharte sich eine so große Menschenmenge, wie Khaton sie das letzte Mal in den Götterkriegen gesehen hatte. Zwar waren die Stadt Gamindhon und ihr Umland dicht besiedelt, doch die Leute, die in Zelten, einfachen Unterkünften oder unter freiem Himmel lagerten, übertrafen die Zahl der Einwohner bei weitem. An vielen Stellen wurde gekocht oder Aschebrot gebacken, und überall sah man Frauen einfache grüne Kittel nähen, die an die Neuankömmlinge verteilt wurden und wohl so etwas wie ein Ordenskleid darstellen sollten.
    Khaton fragte sich, wie es möglich war, eine solche Masse an Menschen mit den beschränkten Vorräten Gamindhons zu versorgen. Doch als er sich der Halle näherte, konnte er beobachten, wie Säcke und Fässer aus Flussbooten ausgeladen und in das Bauwerk transportiert wurden. Den Aufschriften und Handelszeichen nach waren diese Güter für Edessin Dareh bestimmt und gehörten zu dem Zehnt, den die Reiche der grünen Stammtafel dem Haupttempel ihrer Farbe überlassen mussten. All diese Dinge würden nun in der Heiligen Stadt fehlen, und die von diesen Spenden abhängigen Menschen mussten derzeit wahrscheinlich hungern. Das würde Verwicklungen heraufbeschwören, die die Länder wirklich nicht brauchen konnten.
    Sein Blick schweifte nach Norden zum tanfunischen Ufer. Dort erstreckte sich ein dichter Auwald bis in den Fluss und ließ kein Anlanden zu. Ein Stück weiter flussabwärts entdeckte Khaton ein kleines Dorf, in dem Fischer lebten, die mit kleinen Booten in Ufernähe herumfuhren und dort ihre Netze auswarfen. Aber keiner von ihnen näherte sich der grünen Uferseite, um den Andrang der Pilger auszunutzen und seinen Fang hier in Gamindhon zu verkaufen. Stattdessen sah er, wie zwei mit noch zappelnden Fischen vollbeladene Boote von ihren Besitzern geradezu hastig zum Dorf zurückgestakt wurden.
    Es wirkte beinahe so, als würden die beiden Seiten des Bärenflusses einander ebenso ignorieren wie die einander gegenüberliegenden Ufer des Großen Stromes. Dabei waren Tanfuner und Gamindhoner in der Vergangenheit gut miteinander ausgekommen. Die Bewohner der beiden Länder zählten zum gleichen, etwas klein gewachsenen Menschenschlag derTerinon, der auch in der Gelehrtenstadt Thelan lebte. Im Gegensatz zu ihnen waren die meisten Pilger, die sich hier versammelt hatten, hochgewachsene Leute aus den grünenMalvenon-Reichen. Das wunderte Khaton, denn im Allgemeinen hielten die Malvenon und Terinon Abstand voneinander und blieben unter sich. Aber nun hatten sich Tausende Malvenon hier in einem Terinon-Land versammelt.
    Da dieses Rätsel unmöglich auf der Stelle zu lösen war, beschloss Khaton, in die Stadt zu gehen und den Zauber der grünen Säule zu brechen. Danach würde er den Propheten festnehmen, der den Kristall in ein weitreichendes Beeinflussungsartefakt verwandelt hatte, und ihn dem grünen Tempel von Edessin Dareh zur Aburteilung übergeben.
    ☀ ☀ ☀
    Khaton ahnte nicht, dass er längst entdeckt worden war. In dem bereits fertiggestellten Teil des neuen Gebäudes stand ein Mann am offenen Fenster und blickte auf den Evari hinab. Im Gegensatz zu den einfachen Menschen sah er ihn nicht als älteren Mann im schlichten Kittel eines Heilers, sondern als gleißend weiße Fackel, die immer näher kam. Als der Mann den Fensterladen schloss, zitterten die Finger seiner schmalen, aber kraftvoll wirkenden Hand, und er presste seine Lippen zusammen, bis sie nur noch ein schmaler Strich waren.
    Da er hinter sich Schritte vernahm, drehte er sich mit einer schroffen Bewegung um. »Kedrok, ich brauche dich!«
    »Sehr wohl, o großer Prophet!« Ein mittelgroßer, schlanker Mann mit leuchtend grün

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