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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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geriet er mitten in eine Menschenmenge, die dem Ufer zustrebte, und er musste sich dem Tempo der Leute anpassen, um nicht über den Haufen gerannt zu werden. Er erhielt etliche Rippenstöße, hatte aber dennoch Glück. Niemand achtete auf seine Umgebung und bemerkte, dass er gegen einen Unsichtbaren gestoßen war.
    Mühsam gelang es Khaton, sich aus der Menge zu lösen und sich im Schutz eines Gebüsches wieder sichtbar zu machen. Dann folgte er den Leuten und fragte sich, was sie in solchen Massen zum Fluss trieb. Konnte es an der dichten, grünmagischen Wolke liegen, die aus Richtung Gamindhon kommend über das Land zog? Auf ihn übte sie keine Wirkung aus, doch er stellte fest, dass die Menschen um ihn herum davon beeinflusst wurden und einem fremden Willen folgten.
    Als er den Untersee erreichte, dem der Unterlauf des Bärenflusses entsprang, sah er mehr als ein Dutzend Barken, einfache Kähne und etliche Floße am Ufer liegen. Die Menschen drängten darauf zu, und einige schlugen sich sogar um die Plätze.
    Fassungslos blieb der Evari stehen und wandte sich dann an einen alten Mann, der neben der Straße saß, um neue Kraft für das letzte Wegstück zu sammeln. Khatons Heilerblick drang tief, und er erkannte, dass der Alte nicht nur zu Tode erschöpft, sondern auch schwer krank war.
    »Tenelin zum Gruß, guter Mann«, sagte er, da der Alte grüne Bänder an der Arbeitskleidung trug, um seine Zugehörigkeit zu seinem Gott zu zeigen.
    »Auch dir Tenelins Gruß.« Der Mann röchelte so stark, dass er kaum zu verstehen war.
    Khaton trat neben ihn, legte ihm die Rechte auf die Schulter und ließ ein wenig Heilmagie in ihn hineinfließen. Sofort wurde der Atem des Alten ruhiger, und er versuchte aufzustehen.
    Der Evari hielt ihn fest. »Was geht hier vor, guter Mann? Wohin wollen diese Leute?«
    »Zum Heiligen Propheten von Gamindhon, um dort Erleuchtung und Erlösung zu finden. Doch verzeih mir! Ich fühle mich jetzt wieder besser und muss weiter. Tenelin befohlen!« Der Alte entwand sich seinem Griff und stolperte auf den Fluss zu.
    Khaton widerstand dem Wunsch, den Mann zu packen und ihn weiter zu befragen. Offensichtlich war der Alte von dem Wahn besessen, nach Gamindhon zu kommen, und er selbst hätte etliches an Beeinflussungsmagie anwenden müssen, um ihn hier zu halten. Das aber hätte anderen magisch Begabten sofort seine Anwesenheit verraten.
    Statt einzugreifen, beobachtete er kopfschüttelnd die Menschen. Die meisten sahen so aus, als hätten sie sich von einem Augenblick zum nächsten entschieden, auf Pilgerfahrt zu gehen, denn sie steckten in einfachen Kitteln und waren so schmutzig, als hätten sie eben ihren Acker oder ihre Werkstatt verlassen.
    Normalerweise hüllten sich Pilger in ihre besten Kleider und machten sich voller Ehrfurcht und Demut auf den Weg. Die Leute hier drängten jedoch so rücksichtslos auf die Schiffe, dass viele, unter ihnen zumeist Frauen und Kinder, ins Wasser gestoßen wurden und sich mühsam ans Ufer zurückkämpfen mussten. Einige von ihnen konnten noch nicht einmal schwimmen und gerieten in Gefahr zu ertrinken. Doch niemand half ihnen.
    Dreimal wandte Khaton ein wenig Levitation an, um Ertrinkende unauffällig zu retten. Doch kaum hatten diese auf für sie wunderbare Weise das Ufer erreicht, eilten sie schon wieder auf die Stege, um doch noch einen Platz auf einem der Schiffe zu ergattern. Ein Kleinkind, das der Mutter aus den Händen gerutscht und von Khaton magisch an Land geholt worden war, blieb dort liegen, während die Mutter sich zu einem der Schiffe vorkämpfte.
    Der Evari hob das Kind auf und eilte hinter der Mutter her. »He, gute Frau!«, rief er und winkte heftig. In dem Augenblick legte das Boot ab, und sie stimmte mit den anderen einen Choral zu Ehren Tenelins an, ohne sich auch nur einziges Mal umzuschauen.
    Khaton starrte hilflos fluchend dem Boot nach, dann sah er auf das Kind herab und schüttelte den Kopf. So etwas hatte er nicht einmal im Götterkrieg erlebt.
    »Willst du mitfahren, Heiler?«, fragte ein Schifferknecht. Es lag nur noch ein primitives Floß am Ufer, das bereits völlig überladen war. Aber es bot Khaton die Möglichkeit, die Leute zu begleiten und sie weiter zu beobachten.
    »Ich komme!« Khaton lief den Steg entlang und konnte gerade noch auf das Floß springen, das schon ablegte. Dabei rutschte er auf den nassen Stämmen aus, doch niemand streckte ihm die Hand entgegen, um ihm zu helfen. Mit etwas Levitation behielt er das

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