Sternenfaust - 172 - Das Ende einer Ära (1 of 3)
Tod.
»Nun sag schon, wer ist es?«, sagte Luke und klang absichtlich ein wenig verärgert.
»Ich gehe«, antwortete Mike, ohne auf die Frage einzugehen. »Wir sehen uns vielleicht später noch.« Und schon war Mike durch die Wohnungstür verschwunden.
Seltsam.
Aber Mike war ja immer ein wenig seltsam.
Luke hatte Mike im Februar 2272 bei einer Veranstaltung von Pro Humanity kennengelernt. Und er hatte ihm von einer Vereinigung erzählt, die in ihren Ambitionen viel weiter ging als Pro Humanity .
»Du gehst einfach?«, rief Luke Ihm hinterher. »Das muss ja ein toller Besuch sein.«
In diesem Moment schritt eine hochgewachsene Gestalt durch die Tür. Sie trug einen langen, roten Umhang. Ein großes, goldenes Epsilon prangte auf der Brust des schwarzen Oberteils, das unter dem Umhang hervorblitzte.
Luke erstarrte.
Das war …
Der Fremde trug eine Maske.
Dann betätigte er einen Schalter, und die Segmente der Maske klappten zusammen und offenbarten das Gesicht.
Das Gesicht … des Neuen Evangelisten!
*
Als sich Luke aus seinem Schock gelöst hatte, senkte er den Blick und überlegte für einen Moment tatsächlich, ob er auf die Knie fallen sollte. »Ich fühle mich geehrt«, stammelte er.
Der Fremde schritt zu ihm, legte ihm die Hand auf den linken Oberarm und sagte ruhig: »Nein, ich fühle mich geehrt. Ich fühle mich geehrt, dich, Luke Fuller, kennenzulernen.«
Luke spürte, wie ihm die Knie weich wurden.
»Setzen wir uns doch«, sagte der Evangelist.
Luke nickte nur dankbar. Verstohlen blickte er sich um. Wie sah es in seinem Zimmer überhaupt aus? Am liebsten würde er Mike umbringen. Er brachte den Evangelisten, den Evangelisten , in diesen Saustall hinein!
Und jetzt entdeckte Luke auch noch einen Fleck auf seinem Overall.
»Ich wusste nicht, dass …«
»Ruhig«, sagte der Evangelist sanft. Er hatte klare Augen, ein schmales, ruhiges Gesicht und lächelte gütig. »Um solche Dinge kümmern sich die da draußen. Aber wir beide wissen, dass wir für Wichtigeres bestimmt sind, nicht wahr, Luke Fuller?«
Luke nickte. Sein Herz raste, und er stand kurz davor, in Tränen auszubrechen.
»Heute ist also dein großer Tag«, begann der Evangelist.
Luke nickte. Und er wusste nun endgültig, dass er sterben würde. Niemand sah den Neuen Evangelisten mit eigenen Augen und durfte danach noch leben. Der Evangelist war zu wichtig.
Doch in diesem Augenblick machte es Luke nichts aus. Hier, am letzten Tag, mit dem Evangelisten persönlich zu sprechen, das war die größte Ehre, die man sich vorstellen konnte.
»Sei ehrlich, Luke Fuller«, sagte der Evangelist und lächelte aufmunternd. »Was geht dir im Kopf herum?«
»Ich will meine Aufgabe erfolgreich zu Ende bringen. An nichts anderes denke ich.«
Der Evangelist nickte. »Du bist ein junger, gut aussehender Mann, Luke Fuller.«
Luke lächelte. Er würde dem Evangelisten nie widersprechen, aber er fand sich selbst alles andere als gut aussehend. Obwohl er in den letzten Monaten viel trainiert hatte, war er dünn und hager. Sein Trainer hatte ihn mit allen möglichen Mitteln versorgt, aber er hatte ihm am Ende versichert, dass man ohne genetische Verbesserung nicht mehr viel tun könne.
»Danke«, erwiderte Luke.
»Und du bist bereit, heute für die große Sache dein Leben zu geben?«
Luke nickte.
»Kein Zögern? Keine Angst vor dem Tod?«
Trotzig schüttelte Luke den Kopf. Die Wahrheit war, dass er inzwischen mehr Angst vor dem Leben als vor dem Tod hatte. Er erinnerte sich, wie er damals wie ein winselndes Häuflein Elend in dem Gleiter seiner Eltern gesessen und sich vor dem Tod gefürchtet hatte. Doch diesmal würde er dem bevorstehenden Tod ins Gesicht lachen. Er würde ihm mutig entgegen schreiten.
»Keine Zweifel?«
»Niemals.«
Der Evangelist lächelte. »Selbst ich habe hin und wieder Zweifel«, sagte er. »Zweifel sind die Wegbegleiter all derer, die Überzeugungen haben.«
Luke erwiderte nichts.
»Die Wanagi«, sagte der Evangelist schließlich. »Sie machen großartige Versprechungen.«
Luke nickte langsam. »Die Wanagi lügen!«
»Vielleicht«, sagte der Evangelist.
Luke verstand nicht. Wollte der Evangelist ihn testen?
»Was, wenn sie doch die Wahrheit sagen?«, frage der Evangelist.
Noch immer musterte er Luke, und Luke war nun klar, dass dies ein Test war. Es musste ein Test sein. »Niemals!«, rief er.
Der Evangelist nickte und erhob sich langsam.
Luke blieb sitzen. Er wusste noch immer nicht, was der
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