Sternenfaust - 189 - In Pranurs Gewalt
Injektionsnadeln ein Schmerzmittel verabreicht hatte. War sein Geist stark genug für diesen Austausch? »Wir haben einen anderen an Bord, der besser geeignet ist. Er heißt Turanagi. Seine Bilder sind stark. Lass mich ihn holen.«
Sein Spiegelbild schüttelte den Kopf. »Ich will mit keinem anderen sprechen. Noch ist Fremdheit zwischen uns. Der Schwur geht vor. Dein Schiff wird in weniger als zwei Stunden deiner Zeit zerstört sein.«
William verkrampfte sich, dass sein Nacken schmerzte. »Dann habe ich keine Wahl. Beginnen wir.«
*
Übergangslos verschwand der Körper Pranurs um William. Er wusste, dass er dieses Mal nicht transportiert wurde. Pranur schenkte ihm Bilder.
Angespannt wartete William auf den Schmerz, der durch seine Schläfe wummerte, aber er blieb aus.
William befand sich wieder im Kuppelbau. Er wusste instinktiv, dass dieser Bau nicht nur der Größte der Stadt war, sondern tatsächlich – wie von Mary Halova vermutet – ein gewassertes Raumschiff war. Vor drei Jahrtausenden schmolz dieses Schiff einen Tunnel durch das Eis und drang als Erstes von insgesamt fünf Schiffen in das Meer vor. Doch es tauchte zu tief. Der Druck der Wassermassen beschädigte den Antrieb und ließ es havarieren. Die Siedler hoben es auf die Plattform, auf der es nun stand. Eine Art Abbruchkante, in deren Nähe das Gelände steil abfiel, in scheinbar bodenlose Schwärze.
Neugierig sah sich William um. Er vergaß weder die Gefahr noch die gebotene Eile. Dennoch faszinierte ihn, was er erblickte. Mehrere Sukaar schwammen an ihm vorbei. Sie trugen rotbraune Anzüge aus synthetisch wirkendem Material. Ihre Haut besaß Myriaden goldener Schuppen und glitzerte im Licht der Leuchtpflanzen. Nicht alle besaßen vier Gliedmaßen in Form von Armen und Beinen. Manche verfügten über eine Art Meerjungfrauenschwanz, an dem der Anzug sich öffnete. William besah ihn genauer und erkannte, dass die Sukaar in der Lage waren, ihre »Beine« über zwei dicke herabhängende Hautlappen miteinander zu verbinden. Meistens taten es die Sukaar, die schnell vorankommen wollten. Mit der entstandenen Flosse peitschten sie durch das Wasser.
Von den Anwesenden nahm keiner Notiz von ihm. Es war, als wäre er für sie unsichtbar. Suchend schwamm William ein Stück hinauf und sah eine Karolanerin an einem Terminal sitzen. Sie trug einen transparenten Schutzanzug mit Helm, der fremd und klobig wirkte. Ihre Haut schimmerte bronzefarben. Um ihren Hals lag an einer Kette ein schlichtes Amulett in Form eines Ovals. Das Akoluthorum. Kein Zweifel, es war Jira.
Sie hob eben erschreckt den Kopf, als hätte sie etwas wahrgenommen. »Ist das so, Andrarias?« Hastig stieß sie sich ab. »Tenebrikoner!«, rief sie in einer fremden und doch vertrauten Sprache. Zumindest wusste William instinktiv, was ihr Ruf bedeutete, auch wenn ihre Worte einer fremden Sprache angehörten.
Seine Hände zitterten.
Tenebrikoner! Dieser Name verbreitete Angst und Schrecken. Er verfehlte auch auf ihn seine Wirkung nicht.
In die Sukaar kam Bewegung. Rufe wurden laut, irgendwo erklang ein tiefer, wummernder Ton, der rhythmisch aufheulte und sich unter Wasser noch schneller verbreitete als an Land.
Überall brach Hektik aus.
Jira schwamm vor. Sie schien etwas in der Hand zu halten, das William nicht sehen konnte. Vielleicht eine Waffe. Ihre Bewegungen veränderten sich. War sie zuvor selbst durch das Wasser gekrault, trug sie nun etwas Unsichtbares. Ihr Heros-Epone.
William beeilte sich, ihr zu folgen, als der erste Schuss das Gebäude zum Beben brachte. Aus der Eile wurde allmählich Panik. Die Tenebrikoner griffen mit einem Raumschiff an. Ihre Bordbewaffnung war stark genug, die Suukar das Fürchten zu lehren. Neuer Alarm gellte auf. Der Boden erzitterte.
»Andrarias«, rief Jira laut in die allgemeine Unruhe. »Bring mich zu ihnen.«
William sprang auf eine unbegreifliche Weise mit ihr, als Jira den Standort wechselte. Eben noch im Kuppelgebäude, befand er sich unvermittelt in dunklem Wasser. Neben ihm ragte ein gigantisches Wesen mit grauschwarzer Haut auf. Es erinnerte entfernt an eine überdimensionierte Qualle.
Auf Anhieb wusste William, dass dies Pranur war. Und ebenso wie er zuvor Dinge über das Gebäude intuitiv erfahren hatte, begriff er mit dem Anblick, was genau Pranur ausmachte. Das Geschöpf besaß ein unvorstellbares Alter. Es gehörte zu den letzten seiner Art und überlebte, indem es sich teilte. Dabei starb eine Hälfte ab, die andere
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