Sternenjagd
erwarten… weil schon allein der bloße Akt des Erwartens – und der entsprechenden Vorbereitung – die fast hundertprozentige Garantie dafür ist daß er das Gegenteil tun wird.
Die Frage lautet: Wie genau ist er imstande, mein Verhalten vorherzusagen? Andererseits kann er genausowenig wissen, was ich vorbereite, wie ich wissen kann, was er plant.
Und das Ereignis wird unerwartet eintreten, weil ich es nicht vorhersagen kann.
Abrupt streckt Korie den Arm und schaltet die Musik aus. Sie lenkt ihn zu sehr ab. Entschlossen zieht er den Kopfhörer ab und legt ihn auf die Konsole. Dann erhebt er sich. Es ist an der Zeit die Waffe scharfzumachen…
Kapitel 36
Lerne aufrichtig zu sein. Selbst dann, wenn du die Aufrichtigkeit vortäuschen mußt.
SOLOMON SHORT
Der Duschraum riecht nach Desinfektionsmittel. Es ist ein wenig zu kühl. Korie bleibt unmittelbar hinter der Tür stehen und denkt einen Augenblick nach, während sein Blick durch den Raum schweift. Dann tritt er zu einem Wandpaneel und regelt die Temperatur auf sechsunddreißig Grad. Oder ist das vielleicht zu viel des Guten? Er stellt die Regler auf dreißig. Dann schaltet er die Luftzirkulation und die Luftreiniger ab. Er programmiert einen blumigen Duft der ein wenig an abgestandenen Urin erinnert und erhöht die Intensität der Beleuchtung, bis es beinahe in den Augen schmerzt. Ich will, daß es im Raum hell ist. Ich will, daß er blinzelt so daß er mich nicht deutlich sehen kann, und sein Gesicht wird sich ganz automatisch zu einem Ausdruck des Hasses verziehen. Dann kehrt er die Polarisation des Ionengenerators um. Die positiv geladenen Teilchen werden den Raum staubig und beengt wirken lassen. Was noch? Er erhöht ein paar Schlüsselfrequenzen des Musikkanals – und wählt das unangenehmste, schrillste Stück, das ihm gefällt Lennons Ode to Chaos. Der Raum ist von klimperndem Geräusch erfüllt. Korie lauscht einen Augenblick und schätzt die Wirkung ab. Vielleicht lieber ein wenig altertümliche Countrymusic? Nein, das hier ist gut. Es klingt eher nach richtiger Musik. Außerdem gefällt es mir. Der Komponist hat gezeigt daß echte Kunst an der Grenze zum Mißton liegt er verunsichert den Hörer mit seinen Hinweisen auf die neue Wahrheit daß man die Grenzen kontinuierlich weiter nach vorn schieben muß. Ja, dieses Stück wird jeden verstimmen, der feste Strukturen braucht um sich sicher zu fühlen…
Korie schält sich aus der Uniform und wirft sie absichtlich in die Mitte des Raums unordentlich zu Boden, wobei er darauf achtet daß seine Unterhosen deutlich zu sehen sind. Der Effekt dieses Hinweises auf die Physikalität seiner Anwesenheit ist von besonderer Bedeutung. Er hat es hier mit animalischen Instinkten zu tun, und er muß die animalische Reaktionsebene auf eine operative Ebene anheben. Aber das sollte reichen…
Schließlich programmiert er die Dusche so um, daß der Wasserstrahl zwischen lauwarm und dampfend heiß schwankt. Bevor er sich darunterstellt macht er noch ein paar Handtücher naß und verteilt sie im ganzen Raum. Dann tritt er unter das Wasser und beginnt sich einzuseifen.
Er duscht gründlich und genießt den Luxus des Gefühls. Er entspannt sich sogar ein wenig – das heißt soviel man sich in einer Umgebung entspannen kann, die bewußt aufrührend programmiert wurde. Aber da Korie sich der Vorsätzlichkeit der Stimulanzen bewußt ist besitzt er auch eine gewisse Immunität gegen sie. Er behält die Kontrolle über sich.
»Scheiße!« brüllt eine Stimme draußen. »Was für eine Sauerei!«
Ohne aus seiner Träumerei aufzuwachen, beugt Korie sich vor und ruft: »Ja? Wer ist da?«
Ein verblüffter Rogers. »Oh! Ah… tut mir leid, Sir. Ich wußte nicht daß Sie hier sind… und… äh…«
Aber Korie ist schon wieder unter der dampfenden Dusche verschwunden. Rogers geht rasch wieder, ohne das Urinal benutzt zu haben. Er marschiert lieber zur anderen Toilette im Heck, als daß er noch einmal riskiert allein mit Korie zu sein.
Korie widersteht dem Drang zu pfeifen. Er zwingt sich zu einem Übungsmantra, einer Kombination mentaler und physischer Routinen, die den Körper in einen harmonischeren Zustand versetzen sollen. Er beginnt sich beinahe – fröhlich zu fühlen.
Jedesmal, wenn jemand den Raum betritt späht Korie um die Ecke der Abteilung. Nichts. Noch immer nicht derjenige, auf den er wartet.
Er hält das Gesicht unter den Wasserstrahl und reibt sich die Augen, damit sie rot und geschwollen
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