Sternenschweif 07 - Nacht der 1000 Sterne
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Lauras Atem kräuselte sich in kleinen Wölkchen in der kalten Dezemberluft. „Wir sind gleich da“, flüsterte sie. Nach Anbruch der Dämmerung schien der Wald in eine Art Winterschlaf gefallen zu sein. Kein Laut war zu hören.
Sternenschweif nickte und schnaubte leise. Für alle, außer für Laura, sah er wie ein ganz normales kleines graues Pony aus. Aber sie wusste, dass sich dahinter ein Geheimnis verbarg. In einem alten Buch hattesie einen versteckten Zauberspruch entdeckt, mit dem sie ihr Pony in ein Einhorn verwandeln konnte. In ihr Einhorn! Noch immer bekam Laura Gänsehaut, wenn sie an den Moment dachte, als Sternenschweif zum ersten Mal als Einhorn vor ihr stand – so strahlend schön!
Sie erreichten die Lichtung. Mitten im Winter schmückten unzählige purpurrote, sternförmige Blüten den Boden. Leuchtkäfer tanzten in der stillen Luft, rings um die Lichtung schimmerten Steine aus Rosenquarz geheimnisvoll im Licht der untergehenden Sonne.
Laura schwang sich aus dem Sattel. „Wir müssen uns beeilen, denn es ist schon spät. Aber ich muss unbedingt noch etwas erledigen.“
Rasch murmelte sie den Zauberspruch:
Silberstern, Silberstern,
hoch am Himmel, bist so fern.
Funkelst hell und voller Macht,
brichst den Bann noch heute Nacht.
Lass dies Pony grau und klein
endlich doch ein Einhorn sein.
Ein violetter Blitz flammte auf. Als das grelle Licht kurz darauf wieder der Dämmerung gewichen war, zeichneten sich die Umrisse eines schneeweißen Einhorns ab. Sein silbernes Horn schimmerte in der Dunkelheit. Liebevoll stupste Sternenschweif Laura an: „Raus damit, was hast du vor? Fliegen wir heute Nacht gemeinsam eine Runde?“
„Na klar, was denkst du denn! Aber erst könntest du mir noch einen Gefallen tun“, antwortete Laura. „Ich würde zu gerne wissen, ob Charlie und Anna meine Einladungen bekommen haben und uns in den Weihnachtsferien besuchen.“
Die beiden waren Lauras beste Freundinnen gewesen, als sie mit ihrer Familie noch in der Stadt wohnte. Sie hatten zwar seitdem öfters miteinander telefoniert, gesehen hatten sie sich jedoch seit ihrem Umzug auf die Farm nicht mehr. Das war vor acht Monaten gewesen.
„Lass uns gleich nachschauen“, sagte Sternenschweif bereitwillig und beugte seinen Kopf über einen der rosafarbenen Steine. Als Einhorn verfügte er über viele magische Kräfte. Eine davon war, dass er Rosenquarzsteine in eine Art Spiegel verwandeln konnte, der ihnen zeigte, was an anderen Orten geschah.
„Es kann dir doch nicht schaden, wenn wir das tun, oder?“, fragte Laura plötzlich besorgt. „Du sollst auf keinen Fall meinetwegen krank werden!“
Erst vor kurzem hatten sie entdeckt, dass Sternenschweifs magische Kräfte schwanden, wenn er sie nicht ausschließlich dafür einsetzte, anderen zu helfen. Dann konnte er sogar richtig krank werden.
„Keine Angst! Wir sehen ja nur ganz kurz nach.“
Mit seinem Horn berührte Sternenschweif einen der schimmernden Steine. „Anna und Charlie!“, sagte er gebieterisch.
Ein violetter Blitz flammte auf und Nebelumhüllte den Stein. Als er sich verzog, schimmerte auf der steinernen Oberfläche ein Bild.
„Da sind sie!“, rief Laura aufgeregt. Sie hatte ihre beiden Freundinnen sofort erkannt.
Charlie hatte ihre lockigen roten Haare ganz kurz schneiden lassen, aber Anna sahmit ihrem langen schwarzen Pferdeschwanz aus wie immer. Sie hielten gerade die Einladungskarten in der Hand, die Laura ihnen geschickt hatte. Neugierig beugte sie sich vor, um ihre Freundinnen reden zu hören.
„Das wäre echt cool!“, sagte Charlie gerade. „Ich würde Laura so gerne wiedersehen!“
„Und vielleicht dürfen wir auf ihrem neuen Pony reiten?“, fügte Anna hinzu.
Sternenschweif schnaubte zufrieden. Die beiden schienen Ponys zu mögen.
Charlie nickte. „Ich frage meine Mutter noch heute Abend. Dann kann sie gleich etwas mit Lauras Mutter ausmachen.“
„Prima Idee!“ Annas braune Augen strahlten. „Vielleicht dürfen wir Laura gleich am Anfang der Ferien besuchen?“
„Jippie! Sie kommen!“, rief Laura und sprang auf. „Ich würde ihnen ja zu gerne dein Geheimnis verraten. Die beiden wären sicher total begeistert!“
Aber sie durfte nicht, denn sonst würde sie Sternenschweif in Gefahr bringen. Nicht einmal ihre Eltern waren eingeweiht. Nur zwei Menschen wussten Bescheid:
Ihr Freund Michael, dem sie geholfen hatte, sein eigenes Einhorn zu finden, und Mrs Fontana, der die Buchhandlung in der Stadt gehörte. Sie
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