Sternenstaub (German Edition)
nass von Blut und Schweiß, an den Krallen hingen noch Fleisch- und Knochenreste.
Ein leises Wimmern holte seinen Geist zurück und er drehte langsam den Kopf. Vor einem seiner Augen sah er einen roten Schleier, ein Axthieb hatte ihn wohl doch nicht gänzlich verfehlt, dennoch spürte er den Schmerz des ver-letzten Auges nicht. Das andere fasste klar das bibbernde Bündel ins Auge, ein fast nacktes Etwas, der Elfenwelpe.
Quälend langsam begann sein Körper ihm wieder zu ge -horchen, seine Muskeln schienen zu brennen und das Blut in seinen Adern schmerzte wie flüssiges Metall.
Jeder Schritt schien Äonen zu dauern, voller Schmerz, doch etwas in seinem Innern trieb ihn weiter. Der Selbsthass und die schmerzende Wahrheit waren Wirklichkeit, denn er ver -spürte den unaufhaltsamen Drang, den hilflosen Welpen ebenso zu zerreißen wie zuvor schon die Orks.
Auf halbem Wege bemerkte er eine Bewegung und wich zurück, die Bewegung löste eine Welle des Schmerzes aus, die ihm kurz schwarz vor dem gesunden Auge werden ließ.
Der Schleier lichtete sich langsam. Der Anblick war ebenso jämmerlich wie erbarmungswürdig, die halbnackte Mutter, die ihren Welpen an sich drückte, eine blutende Platzwunde am Kopf. Sie sah ihn an, der Blick passte nicht zu ihrer Erscheinung, stolz, fest, mutig. Es nährte nur die Flamme in seinem Innern, verlieh ihm wieder die Kraft von Zorn und Hass. Ein Knurren stieg seine Kehle empor und er setzte sich wieder in Bewegung, direkt auf die Beiden zu. In ihrer Verzweiflung griff die Elfe nach einem der klo-bigen Orkschwerter, doch sie konnte es kaum halten. Die Klinge zeigte schwankend auf ihn und der Waffenarm zit-terte unter der Last der Waffe. Ein Wisch seiner Klauen hätte die Waffe weit fortgeschleudert, zwei weitere Hiebe und die Leben von Mutter und Kind hätten ein Ende, doch so einfach wollte er es ihnen nicht machen. Sein Geist, ge-nährt vom Leid und der Verzweiflung der langen Jahre, von der Gewissheit, dass geliebte Freunde und Verwandte von diesen und anderen Kreaturen abgemetzelt wurden, war wirklich nicht mehr wie einst, er war leer, eine Hülle gefüllt mit dunklem Zorn und glühendem Hass. Er spürte die Wunden nicht mehr, in seinen Gedanken war kein Platz für diese Art von Schmerz. Er fletschte die Zähne und öffnete die Klauen, blieb knapp außerhalb der Waffenreichweite und starrte die Elfe mit dem wimmernden Bündel an. So hatten sicher auch einige seiner Artgenossen da gesessen, voller Angst, voll Verzweiflung und waren trotzdem ohne Erbarmen erschlagen worden.
Tränen liefen aus seinen Augen, vermischten sich mit dem Blut seiner Wunden und fielen rot auf die nackte Erde, sein Kopf ruckte nach hinten, weit in den Nacken und ein lang gezogenes Heulen drang aus seiner Kehle.
Kein Laut, weder von Mensch noch von Tier, war jemals so voller schmerzvoller Trauer, voll des glühenden Hasses oder voll von hoffnungsloser Verzweiflung gewesen. Ein stechender Schmerz durchfuhr seine Brust, langsam und überrascht sah er vom Himmel langsam wieder nach vorn und an sich herunter. Ein archaischer Schwertgriff ragte mitten aus seiner Brust, zwei zarte Elfenhände umklam -merten ihn verzweifelt. Er spürte, wie die Kraft, die ihm der Hass gegeben hatte, langsam wich, doch nicht schnell genug, als dass er nicht noch etwas hätte tun können. Wenn er schon sterben musste, dann wollte er es nicht allein mit diesen widerwärtigen Orks. Er hob ruckartig den Arm, die Finger der Hand weit gespreizt. Der verzweifelte Schrei der Elfe drang an seine Ohren, er spürte, wie sie die Klinge drehte, aber es würde nicht genügen, den tödlichen Hieb zu verhindern.
Doch er blieb aus, denn sein Geist war auf einmal frei jeglichen Vorwurfs, jeglichen Gefühls, welches zuvor noch so stark nach Blut und Rache geschrieen hatte. Sein Körper bewegte sich ohne das Einverständnis seines Geistes, doch er sah, dass die Tat gut war. Die klauenbewehrte Hand fuhr nicht herab, um den schlanken Körper der jungen Elfe in Stücke zu reißen. Sanft und ruhig legte sie sich auf den Kopf der jungen Mutter und ruhte dort. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und aus seinem Mund drang leise ein Wort, welches er so lange weder gedacht noch gesprochen hatte: „Vergebung…“
Sein Geist wandte sich ab, fort von dem, was ihn an diese Welt band. Er bedauerte es nicht, denn es waren nur Fleisch, Blut und Knochen, die er zurückließ, tote Dinge, ohne das, was ihn ausmachte,
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