Sternenstaub im Kirschbaum
war wirklich unglaublich scharf.«
»Das glaube ich dir nicht!«
Was aber nichts daran ändert, dass der Großherzog tot und der Kurfürst Cernus von Steppenkirsche seit drei Tagen Gast im Hause zu Lerchensporn war. Sein Reich Hyazinth grenzte im Norden an Begonien. Ihm eilte nicht der beste Ruf voraus, beide Länder verband eine lange gemeinsame Geschichte, die nicht zu allen Zeiten friedlich verlaufen war. Aber seit zweiunddreißig Jahren, achtzehn Tagen und inzwischen etwas mehr als drei Stunden herrschte Frieden. Die Reise hatte deshalb der weiteren Verbesserung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen gegolten. Die wohlbegüterten Ländereien des Kurfürsten galten als Hochburg feiner Metall- und Schmiedearbeiten, Begonien beherbergte hingegen die altehrwürdige Innung der Spruchwirker, die weit über die Grenzen hinaus bekannt waren. Und eben wegen dieser spirituellen Führung betrachteten viele Menschen auch Lerchensporn als Nabel der Welt. Wirtschaftlich war Begonien zudem in der Schweinezucht führend und für seine ertragreichen Kirschbäume bekannt.
An diesem schicksalhaften Tag oblag es deshalb dem fünfzehnjährigen Prinzen und Thronfolger Dost-Escariol von Lerchensporn, Kurfürsten Cernus von Steppenkirsche standesgemäß zu verabschieden. Seine Stimmung war sichtlich getrübt, was nicht nur am unerwarteten Dahinscheiden seines Vaters, sondern zudem im latenten Disput über die Verheiratung seiner älteren Schwester Vicia begründet lag. Prinz Dost würde den Sohn des Kurfürsten als Schwager durchaus zu schätzen wissen. Seine Mutter war überdies fasziniert von der starken Hand seines Vaters, dem Regenten ihres nördlichen Nachbarlandes. Sie ließ keine Möglichkeit ungenutzt, seinen Sohn, den Kurprinzen Malus von Steppenkirsche, als zukünftigen Vater ihrer Enkelkinder zu preisen. Die Verbindung hätte auch den Segen des kürzlich verblichenen Großherzogs gefunden, der aber, weniger aus Weisheit, als mehr um sich nicht dem Unbill seiner streitbaren Tochter auszusetzen, selbiger das letzte Wort überlassen hätte.
Prinzessin Vicia von Lerchensporn stand mit verschränkten Armen vor ihrem kleinen Bruder, dem nicht nur die Zukunft des Landes, sondern auch die Verantwortung über ihr Wohlergehen auf den Schultern lastete. Beide hielten sich im Amtszimmer ihres Vaters auf, während sich der Kurfürst und seine Gefolgschaft gestiefelt und gespornt im Burghof befanden. Es wurde jetzt wirklich Zeit, ihren Gast zu verabschieden.
»Niemals werde ich nach Hyazinth gehen! Nicht in hundert Jahren! Da würde ich eher Schweine hüten!« Vicia tobte und scherte sich nicht darum, dass ihr das halbe Schloss zuhören konnte, inklusive der Gäste, die unter dem offenen Fenster vor der Kutsche warteten. »Der Kurprinz schielt und lacht wie ein Huhn!« Ein goldener Faden glänzte an ihrem roten Zopf, sie verzog trotzig den Mund und schaute respektlos an ihrem jüngeren Bruder hinab, den sie um eine Kopflänge überragte.
»Du wirst tun, was ich dir sage!«, tönte Dost mit dünner Stimme, er würde noch etwas Zeit brauchen , seine neuen Schuhe auszufüllen. Seine Schwester hatte natürlich recht, man wusste wirklich nicht, wann der Kurprinz einen anschaute. Und auch beim Nachtmahl gestern hatte dieser Geräusche von sich gegeben, die eher nach Lockrufen brünftiger Wildhühner klangen und eines Prinzen kaum würdig waren. Was durchaus aber auch an den teuflisch scharfen Speisen gelegen haben konnte, die schließlich seinen Vater dahingerafft hatten. Aber als Thronfolger von Hyazinth wollte Prinz Dost ihm das gerne nachsehen, die Kinder würden sicherlich mehr nach seiner Schwester kommen.
Eine Antwort bekam der junge Souverän nicht mehr, Vicia stürmte aufgebracht an ihm vorbei und ließ ihn allein. Auch wenn Malus von Steppenkirsche ein Trottel war, sein Vater war es nicht. Die Beleidigung seines Sohnes würde er kaum hinnehmen. Prinz Dost stand vor der schwersten Prüfung seines Lebens.
»Den hätte ich auch nicht geheiratet!«, stellte seine Enkeltochter ernüchtert fest.
»Na dazu ist bei dir auch noch ein wenig Zeit.«
»Und wann bekommt Musa die Prinzessin?«, hakte sie nach. Scheinbar hatte sie die Märchenhochzeit noch nicht aus den Augen verloren.
»Na ja ... das war dann schon ein wenig anders.«
Cernus von Steppenkirsche, der Kurfürst von Hyazinth war kein angenehmer Zeitgenosse, dessen war sich Dost bewusst. Wie er da stand in seiner Rüstung, bärtig und mehr einer
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