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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Schwierigkeiten mit dem Atmen. Vielleicht stimmte, was Nicole Mewes dauernd erzählte, und es gab so ein Wetter, Mord- und Totschlagwetter, das einen Hexenkessel im Kopf zusammenbraute. Doch egal, wie das Wetter war, die Worte kriegte sie niemals zusammen, guten Abend, wir müssen Ihnen mitteilen, daß – Blödsinn, nicht guten Abend. Was wir Ihnen sagen müssen – Ein todschicker Altbau. Nur im Erdgeschoß brannte noch Licht.
    Es geht um Ihren Sohn, Ihr Sohn ist – Man sagte immer das Falsche, denn es gab keine Worte dafür. Was sie am meisten fürchtete, war der Schrei, der manchmal nach sekundenlanger Stille kam, dieser Laut, der verriet, daß in einem anderen etwas zerstört worden war, jetzt und hier, in diesem kurzen Moment der absoluten Stille vor dem Schrei.
    Doch Katja Kammer wohnte nicht hier.
    Die Frau im Bademantel, die ihnen das erzählte, wollte das Erdgeschoßfenster schon wieder schließen, als sie sich so hastig hinausbeugte, daß sie fast das Gleichgewicht verlor. »Sie meinen doch nicht etwa –«
    »Na?« fragte Kissel.
    »Ja, warten Sie, das ist doch mindestens – die mit den kleinen Jungs, meinen Sie die? Nein, die sind doch jetzt auch schon groß. Kammer, ja, aber das muß über zehn Jahre her sein, mindestens, ach, noch länger. War das nicht die, die diesen Radau gemacht hat?« Sie schüttelte den Kopf. »Hier hat ein Herr Kemper gewohnt, und zu dem zog eine Frau mit kleinen Kindern. Da ging’s hoch her, sag ich Ihnen, immer Lärm im Haus, Gebrüll und die Kinder, wissen Sie? Stimmt, das könnte sein, daß sie Kammer hieß. Ja, du lieber Gott.« Die Frau starrte sie an, und Ina fragte: »Sie wissen auch nicht, wo die hingezogen sind?«
    »Woher denn? Das waren komische Leute, die hatten keinen Kontakt mit dem Haus. Ich wüßte auch nicht, wer es wissen tät, ich wohne am längsten hier, ich wohne hier seit –«
    »Danke«, sagte Ina.
    »Was ist denn mit der?«
    »Danke, gute Nacht.«
    »Da zieht’s mir doch die Schuhe aus«, sagte Kissel im Wagen. »Über zehn Jahre, ja, hat der einen Knall? Der Kerl muß doch wissen, wo seine Mutter wohnt, jetzt können wir auch noch Wohnsitzermittlung machen.«
    Ina nahm ihr Notizbuch und schrieb: Kammer/Kemper. »Er wollte ja auch nicht mitkommen«, sagte sie. »Anscheinend weiß er es eben nicht.«
    »Ich hatte sowieso den Eindruck, daß der einen Knall hat, Kollege hin oder her.« Er sah auf den Zettel mit den Adressen. »Hollstein, da hat der Kleine gewohnt, ja? Nimmt Jungs auf?«
    Sie nickte. Wenn sie Pech hatten, kam eine dieser elenden Strichergeschichten auf sie zu, deren Grundton das Gejammer unbescholtener Männer war, die nichts getan haben wollten und mit Anwälten drohten, nervend von Anfang bis Ende, falls es überhaupt ein Ende gab.
    Kissel ließ den Motor aufheulen. »Dann wollen wir ihn mal hübsch wecken.«
    Doch Hollstein war hellwach. Moschusduft hing im Flur, darunter lag kalter Zigarettenrauch. Holzverkleidete Wände, die alles kleiner machten und dunkler, gaben der Wohnung das Aussehen eines Hobbykellers. Der Fernseher lief ohne Ton und zeigte Telefonnummern und dämliche Gesichter, nullhundertneunzig-neunzigsechs-sechs-sechs.
    Hollstein führte die Ermittler in die Küche, ein ältlich wirkender Mann, dessen erste Äußerung eine Feststellung war: »Es ist was passiert.«
    Kissel war rücksichtslos. »Robin ist tot. Tötungsdelikt.«
    Hollstein schloß die Augen und senkte den Kopf wie zum stillen Gebet. »War’s ein Sexualmord?«
    »Wie kommen Sie darauf?« fragte Kissel.
    »Weil er so jung war.«
    Ina fragte: »Wann haben Sie Robin zuletzt gesehen?« Man sollte eine Strichliste machen: wie oft im Jahr dieselben Fragen? Anschließend könnte man eine Wette mit sich selbst beginnen: wie viele Jahre noch dieselben Antworten? Er würde jetzt gleich sagen, daß er überlegen müßte.
    Hollstein guckte zur Decke. »Da muß ich nachdenken.« Er brauchte eine Weile. »Am Sonntag wohl – ja genau, am Sonntag. Der machte doch, was er wollte, kam an, hat gegessen und ist dann wieder weg.«
    »Wann ging er weg?«
    »Nach dem Essen, so gegen neun. Gab Thunfischsalat.«
    »Hat er gesagt, wohin er wollte?«
    Hollstein schüttelte den Kopf. »Der hat nie viel geredet.«
    »Wie lange wohnte er hier?«
    »Nicht lange.«
    » Wie lange?«
    Er sah sie eine Weile an, als denke er darüber nach, ob er sie hassen sollte. »Fünf oder sechs Wochen. Sechs. Sechs Wochen und paar Tage.« Ein quälendes Geräusch auf dem steinernen Boden, als er

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