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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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wie Robin verbissen mit ihnen rang.
    »Die haben nur Scheiße im Hirn, diese Kokser. Der konnte nichts Zusammenhängendes sagen.« Er schaltete das Deckenlicht ein und sah einen blauen Streifen auf ihrer Wange. Möglich, daß Karl ihr eine geknallt hatte, weil sie ihn nicht ranließ, den eigenen Mann. Sie ließ niemanden ran, soviel er wußte, aber außer Karl blieb auch kaum einer übrig, der sie wollte.
    »Setz dich doch«, sagte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Du hörst mir nicht zu, ich habe gerade gesagt –«
    »Doch, ich hör dir zu. Du möchtest aufhören bei der Polizei?«
    »Ja, ich kann schlecht beides machen, nicht?«
    »Karl wird Geld wollen«, sagte sie.
    »Karl kriegt, was er verdient.« Seine Stimme wurde lauter. »Viel ist der Laden nicht wert.«
    »Aber er läuft doch. Wenigstens abends. So ein Umbau ist teuer.«
    »Es sind nicht die richtigen Leute hier.« Robin hatte das genauso gesehen. Er beugte sich vor und trommelte auf den Tisch und sah, wie ihre Augen seinen Bewegungen folgten. »Ich will keine Rentner und Feierabendsäufer hier, ich will richtig gute Leute. Erfolgreiche Leute, starke –« Er schwieg, irritiert durch das Geräusch, das sie machte, so ein leises, mühsames Seufzen.
    »Du kannst ja dann mit Karl was Neues machen«, sagte er. »Ehm – ehrlich gesagt, paßt du dann nicht mehr unbedingt hier rein.«
    »Nein«, sagte sie nur.
    »Oder setzt dich halt zur Ruhe.«
    »Ja.« Sie stand auf und streckte eine Hand aus, als wollte sie ihn berühren, doch sie zog sie wieder zurück. »Was ist das für eine Frau?«
    »Die Kommissarin Henkel. Die ist ein bißchen doof, macht sie eine Vernehmung und hat den Falschen.«
    »Du solltest nicht dabeisein«, sagte sie.
    »Ich gehöre zur Truppe.« Er folgte ihr in den leeren Schankraum, wo nur Karl Hufnagel wie ein Verlorener an einem Tisch unterm Fenster saß.
    »Willste nicht Kasse machen?« maulte er Billa an. »Kümmerst dich um nichts.«
    Dorian stellte sich an den Tresen und berührte das rauhe Holz mit seinen tausend Sprüngen. Hier hatte er Robin das letzte Mal als Lebenden gesehen, als Menschen und nicht als das Gespenst, das später aus dem Leichenhaus kam. Er versuchte sich zu erinnern, wie oft sie hier zusammenstanden, doch war Robin kein Stammgast gewesen, weil er den Taubenschlag nicht mochte, zu piefig, Mann, zu klein. Er kam, wenn er pleite war, um Dorian anzuschnorren, doch manchmal kam er auch, um ihm das Geld zurückzugeben. Er war kein freundlicher Gast, er lästerte über die anderen Gäste oder verhöhnte Billa, die nie darauf reagierte, was ihn noch mehr anspornte. Dorian drehte sich um. Da hockten die Hufnagels unterm Fenster, zu müde vielleicht, um das Licht zu löschen und ihn, den einzigen Gast, auf die Sperrstunde hinzuweisen. Er beobachtete sie. Karl grabschte nach Billas Hand wie einer, der eine Maus fangen will, doch sie entzog sie ihm. Vielleicht dachte sie an den blauen Streifen auf ihrer Wange. Sie hatte alte, rissige Hände.
    »Warum«, fragte er in die Stille hinein, »hast du Robin eigentlich nie Lokalverbot erteilt?«
    Billa sah ihn an mit diesem müden Blick von irgendwoher.
    »Der hat hier bloß rumgestänkert, erinnerst du dich nicht?«
    »Er war jung«, sagte sie nur, und er dachte, sie würde noch etwas hinzufügen, doch stand sie auf und ging an ihm vorbei, ohne ihn noch einmal anzusehen. Stumm stand er da, Robins Stimme im Kopf über dem Gesumm der tausend Fliegen. Robbi, hörst du? Die verwechselt uns, die alte Kuh, die denkt vielleicht, daß ich der Böse bin. Robbi? Mann, die kennt dich nicht.

[ 12 ]
    Dauerregen hatte am Morgen von Robin Kammers Beerdigung eingesetzt, als müßte ein Film gedreht werden, und der Himmel spielte mit. Doch auf den Fotos des Kollegen Stocker gab es kein Meer aus schwarzen Schirmen, nur Dorian und die Tillmanns waren gekommen und bildeten eine armselige kleine Versammlung vor dem offenen Grab. Den Blick in die dunklen Wolken gerichtet, umschlang Dorian Kammer mit beiden Armen seinen Oberkörper, als hätte er Angst, ihm fiele das Herz heraus. Klaus Tillmann schien zu weinen. »Da beobachte ich das erste Mal in meiner Laufbahn eine Beisetzung«, hatte Stocker gesagt, »und was soll ich sagen: Es regnet.« Leere auf den Fotos, die die umliegenden Reihen zeigten, nasse Bänke ohne Menschen. Nirgends eine unbekannte Frau, keine Katja Kammer, auch nicht im Verborgenen; es war ein Versuch gewesen, von dem sie vorher schon ahnten, daß er nichts brachte.
    Traust dich nicht,

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