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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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weshalb Dorian ihn auch nicht verstand.
    Doch wie war das zugegangen, hatte Robin diese anderen Worte damals schon gesagt, hatte er lauthalt mir passiert nix gebrüllt? Nein, wohl nicht. Er nannte bloß einen Namen, der nicht paßte zu all den Dingen, die er weiter sagte, so wie auch dieser Mann, dieser Kokser, den die Kommissarin Henkel vernahm, Namen nannte, wie es sie tausendmal gab. Katja, hatte der Mann gesagt, Kempers Freundin, Kempers Tussi. Nein, das war gelogen. Robin hatte auch gelogen, und Dorian hörte nur den hohlen Klang irgendeines Namens und das Brummen der Fliegen in seinem Kopf.
    Fliegen, die ihm verkünden sollten, daß er sterben mußte, denn Fliegen waren überall, wo Leben zerfiel. Fliegen über Särgen und in Erdlöchern summend, Fliegen in flüchtigen Gräbern im Wald, wo Hunde sie rochen und so laut zu bellen begannen, als müßten sie allen Menschen sagen, hört zu, ich Hund, ich bin noch am Leben. Fliegen, wo Dreck war und Verfall.
    Fliegen in der Nacht – er konzentrierte sich auf ihr Geräusch, als er an die Tür des Taubenschlags klopfte – waren sie hier auch?
    Im Türspalt erschien Karl Hufnagels mißmutiges Gesicht; »Ach du«, murmelte er, »is schon zu.«
    »Ich will noch ein Bier.« Dorian schob sich an ihm vorbei und ging hinter den Tresen, um sich eins zu zapfen. »Was willst du hier?« fragte er Karl, der in seinem alten, karierten Hemd über der viel zu weiten Hose wieder aussah, als hätte er alle Gäste vergrault.
    »Ich werd in meiner eigenen Kneipe wohl mal nach dem Rechten sehen dürfen.«
    »Dann zieh dich anständig an.«
    Karl stand stramm. »Aber wie du letztens in der Uniform hier reingestiefelt bist, das fandest du anständig?«
    »Sicher.« Dorian horchte, weil er etwas scheppern hörte, oben, wo Billa hauste. »Du hast ein Problem mit Uniformen, das wird seinen Grund haben.«
    Karl kicherte. »War das dein neues Mädchen letztens? Wolltest ihr imponieren.«
    »Nein, das war meine Kollegin. Das war eine Kommissarin der Mordkommission.«
    Eine Weile blieb es still, bis Karl mit fast zitternder Stimme fragte: »Das war eine Bulette?«
    Dorian nickte.
    »Ist doch nichts mehr mit den Weibern los«, flüsterte Karl. »Ich hätt dir gegönnt, daß sie dein neues Mädchen wär. Hast du denn ein neues Mädchen?«
    »Nein.« Dorian legte die Hände auf den Tresen.
    »Dann war sie wegen deinem armen Bruder da«, sagte Karl. »Die Bulette.«
    »Ja.«
    Karl nickte lange vor sich hin, bevor er fragte: »Die sucht den Mörder?«
    »Den suchen viele. Das macht nicht einer allein, bloß in Büchern macht’s einer allein.«
    »Ja, ja«, sagte Karl, »aber in Büchern isses einfacher, reich mal ’nen Korn rüber.«
    »Hol ihn dir selbst.« Mit seinem Bierglas in der Hand ging Dorian durch den kleinen Gang, der in den Verschlag führte, den Karl großspurig die hinteren Räume nannte. Zwei dunkle, unaufgeräumte Löcher, das waren sie, die hinteren Räume, in denen immer irgend etwas schepperte, weil Billa Hufnagel alles fallen ließ. Es war ihr Bau hier; Dorian blinzelte und suchte Fliegen, doch war es zu dunkel, um welche zu sehen. Nur ein schwaches Lämpchen brannte. Billa saß in ihrem Prunkstück, einem Schaukelstuhl vom Flohmarkt, und träumte vor sich hin.
    »Paß bloß auf«, sagte er, »der Karl könnte dir die Kasse ausräumen.«
    »Nein«, murmelte sie, »so weit denkt der nicht. Wenn er seinen Korn kriegt, ist es gut.« Sie hockte in ihrem Schaukelstuhl, ohne zu schaukeln, saß nur wie eine Puppe darin, die man zurechtrücken müßte, damit sie nicht kippte. Es war spät, und sie konnte vielleicht nicht mehr. Sie sah beschissen aus, kaputt und verbraucht wie diese Asoziale, der er den Fernseher wegnehmen mußte.
    Lohnte es noch? Er würde sterben müssen, aber vielleicht war es Magie, wenn er an die Zukunft dachte. »Ich möchte den Laden übernehmen«, sagte er, »du bist zu lahm, entschuldige, wenn ich das sage, und Karl kümmert sich nicht. Ich will eine Bar daraus machen.«
    Sie hörte nicht zu, fragte: »Hast du mit deiner Kollegin noch mal gesprochen?«
    »Sicher, ich rede mit all meinen Kollegen. Heute war ich bei einer Vernehmung dabei. Ein Kokser war das, so ein Depp.«
    »Was sagt er?«
    »Nur Scheiße.« Er lehnte sich gegen die Wand. Reden wollte er, nur reden, reden, ganz egal mit wem, denn wenn er redete, wurden sie leiser in ihm, Robin und die Fliegen. Er stellte sich vor, wie die Fliegen in ihm tanzten, unaufhörlich summend sich im Kreis bewegten, und

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