Sterntaucher
ich gucken, wer bestimmte Heftchen und Videos kauft, und sollte die Typen ansprechen, ihnen sagen, daß es diese Adresse gibt und wie es läuft. Zweimal hab ich es gemacht, aber es hat sich nicht rentiert.«
»Kemper hat Ihnen das gesagt«, sagte die Henkel ruhig, »Steffen Kemper«, und der Mann betrachtete lange seine nervösen Finger, bevor er fragte: »Haben Sie den? Der Drecksack. Ich hab längst keinen Kontakt mehr zu ihm.«
Dorian sah ein böses, kleines Lächeln auf Kissels Gesicht. Henker mußten so gelächelt haben, wenn sie mit einem sauberen Schlag die Köpfe abtrennten.
»Ich fasse zusammen«, sagte Kissel. »Kemper erzählt Ihnen von diesen Folterabenden und läßt Sie mal gucken, damit Sie sich eine Vorstellung machen. Sie sollen da Kundschaft anschleppen.«
»Aber ich hab ja nicht«, fing der Mann an, doch Kissel fragte: »War es eine Wohnung, ein Haus?«
»Ein Schuppen. Es war so ein Schuppen in einer Kleingartenkolonie, der gehörte Kemper. Die Kunden wollten es so, eine schäbige Umgebung, und auch die Leute sollten so sein, also diejenigen, die – ehm –«
»Die Opfer?« schlug Kissel vor.
Der Mann nickte. »Das waren Junkies und junge Obdachlose, Kemper hat sie besorgt. Die Kunden wollten das so. Ich weiß nicht, was es ihnen gegeben hat, aber sie wollten möglichst verkommene Typen. So Ausgemergelte. Sie selber waren aber piekfein angezogen, also es war schon ein ziemlicher Gegensatz. Es gab ja auch Superessen da drin und teure Getränke.« Der Mann sah auf seine zitternden Beine und schlang die Hände um die Knie, als hätte er Angst, die Beine fingen von selber an zu laufen. »Sie nannten das Sitzung, was sie mit den Leuten gemacht haben, da hatten sie die verrücktesten Wünsche. Also ziemlich bizarr. Sie schlitzten mit Messern an ihnen rum, verrieben das Blut auf den Körpern, legten sie in Ketten und so weiter, ließen sie liegen, dann haben sie was gegessen und getrunken, es war ja ein Buffet da, und dann ging es weiter. Jeder konnte alles sehen, das haben sie gemocht, es war wie in einem Swingerclub, bloß halt mit anderen Praktiken. Die anderen waren – also, die« – er räusperte sich – »diese Opfer waren die ganze Zeit gefesselt, die konnten nicht weg. Sie haben sie aber nicht getötet, soviel ich weiß, töten war verboten, da haben sie drauf geachtet, Kemper und seine Tussi.« Versonnen nickte er vor sich hin. »Die Kunden trugen meistens Masken und so einen Quatsch.«
»Wer hat die Videos gedreht?« fragte Kissel.
Der Mann hob den Kopf. »Ich weiß nicht – Kemper? Ja klar, solche Videos sind sauteuer.«
»Und was wissen Sie von ihm?« Kissel schlug mit der Faust auf den Tisch, wo das Foto lag. »Den Jungen haben Sie auch da gesehen, gefesselt, liegengelassen.«
»NEIN«, schrie der Mann, »ich hab ihn nicht gesehen. Das kann ich mir auch nicht vorstellen, die wollten Frauen. Ich war ja nur zweimal da und dann nie wieder, aber es sind immer Frauen gewesen, die sie hatten, keine Typen. Ich kenne keinen Robert –«
»Robin«, sagte Kissel. Er bückte sich und nahm ein weiteres Foto vom Boden, das er zu dem anderen auf den Tisch warf. »Und die?«
Der Mann sah hin. Er nickte. »Ja«, sagte er, »das ist Katja.«
»Katja wer?« fragte Kissel. Die Henkel stand gegen den Tisch gelehnt und sah dem Mann ins Gesicht.
»Was weiß ich – Katja halt. Kempers Freundin. Sie hat die Honneurs gemacht.«
»Was hat sie?« fragte die Henkel.
»Na eben – verdammt, sie war Kempers Tussi, hat sich um die Gäste gekümmert, ihm zugearbeitet, hat die Musik aufgedreht, wenn’s zu hoch herging und die Leute gebrüllt haben.«
»Blödsinn«, sagte die Henkel.
Kissel ließ die Arme hängen, und einen Moment lang, als er Ina anstarrte, sah er schwachsinnig aus. Dann machte er eine ruckartige Kopfbewegung und ging auf den Mann zu wie ein Stier. »Wo ist sie?«
»Woher soll ich das wissen? Ich hab längst keinen Kontakt mehr zu denen.«
Ina ging um den Mann herum. Er folgte ihr mit den Augen. »Wie kommen Sie darauf«, fragte sie, »daß sie Kempers Freundin war?«
»Das war eben so.«
»Gut, gut«, sagte Kissel schnell und machte ein Handzeichen in Inas Richtung, das Dorian nicht verstand. Sie hatten ihre persönlichen Zeichen, wenn sie Vernehmungen machten, da blickte ein Außenstehender nicht durch. Doch da schien etwas falsch zu laufen; er blinzelte und sah die Kommissare in der Mitte des kalten Raums einander gegenüberstehen wie Boxer vor der Schlacht. Starr guckten sie
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