Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank
Und so kam kurz die Hoffnung in mir auf, dass es sich bei meinem Übergewicht nur um Babyspeck handeln und ich mit etwas Anstrengung doch noch zu einem Schwan werden könnte. Diese Hoffnung hielt aber nur kurz, sehr kurz – bis zur nächsten Pizza Hawaii.
Mit 17 Jahren begann ich meine Ausbildung zur Grafikdesignerin. Genauer gesagt zur Gestaltungstechnischen Assistentin (GTA). Für mich kam nur dieser künstlerisch-gestaltende Beruf infrage, da es sich doch schwieriger erwies als erwartet, mal eben so Kunstmalerin zu werden. Zur damaligen Zeit war diese Ausbildung eine rein schulische, eine Art Vorstufe zum Studium.
Für mich hieß es nun: wieder eine fremde Schule, wieder fremde Gesichter, noch dazu in Bielefeld. Bielefeld! Das war eine Weltreise entfernt von unserem kleinen Vorort von Paderborn. Als ich den Fahrplan der öffentlichen Verkehrsmittel für meinen Schulweg etwas genauer studierte, überlegte ich noch mal ganz kurz, doch Floristin zu werden. Aber ich sprang ins kalte Wasser und morgens um vier Uhr aus dem Bett.
Zum Duschen und Anziehen brauchte ich immer etwas länger. Es dauerte nicht nur ewig, bis ich mich endlich in die Strumpfhose gezwängt hatte, sondern noch viel länger, bis ich in den Tiefen meines Kleiderschranks endlich etwas gefunden hatte, worin ich mich wohlfühlte. War das überstanden, fuhr ich mit dem Fahrrad erst mal vier Kilometer zur Bushaltestelle, dann 45 Minuten mit dem Bus nach Paderborn zum Hauptbahnhof, um den Zug nach Bielefeld zu bekommen. Dort angekommen, lagen nur noch drei Kilometer flotter Fußmarsch vor mir, um endlich pünktlich um acht Uhr das Schulgebäude zu erreichen. Und das fünf Mal die Woche!
Super Fitnessprogramm, könnte man meinen. Wäre es bestimmt auch gewesen, hätte ich nicht schon nach kürzester Zeit beschlossen, meinen Wecker einfach gegen die Wand zu werfen. Wie oft ich in den folgenden Jahren blaumachte, geht auf keine Kuhhaut.
Meine Mutter bekam von all dem wie immer kaum etwas mit. Aber wie auch? Ich war so verdammt clever. Konnte ich mich nicht überwinden loszugehen, ahmte ich einfach meine morgendlichen Geräusche nach, so gut es ging, und versteckte mich anschließend hinter dem Wohnzimmersofa, bis meine Mutter das Haus verließ. Natürlich warf sie vorher noch einen Kontrollblick in mein Zimmer, wobei sie jedes Mal stolz war auf ihr Pummelchen, wenn sie das Bett leer vorfand. Kaum war sie weg, frühstückte ich erst einmal fett und verkroch mich wieder ins Bett. Was für ein Aufwand! Da hätte ich eigentlich auch gleich zur Schule fahren können.
Mit Anfang zwanzig war ich eigentlich schon an dem Punkt angekommen, ein Leben als normalgewichtige Frau abzuschreiben, und bereit, mich auf ein ewiges Singledasein einzustellen, am besten gleich im Kloster. Obwohl: Nur Wasser und trocken Brot?
Doch dann passierte es: Ich machte erste Erfahrungen mit Diäten und entdeckte, dass es noch etwas anderes als Fressen oder Hungern gab. Von nun an verfolgte ich mein Ziel, endlich schlank zu werden, immer verbissener. Keine Diät war vor mir sicher. Und damit wurde es nicht nur tragisch, sondern auch teuer und noch ungesünder.
KOH L MACHT HOHL.
ODER: DER VITAMINFRESSER
Gewicht: 76 Kilo
Gefühlslage: Beziehungsstatus:
Vergeben Single Verliebt Ich mag Kekse
Seit ich denken kann, abonniert meine Mutter Frauenzeitschriften. Und natürlich ist so ein Blatt ein Spielplatz für unglückliche und übergewichtige Frauen, die nach der rettenden Idee für ihr Problem suchen. In meinem Fall war das die Magic Soup – damals der absolute Megatrend aus den USA. Bei diesem Namen hätte ich eigentlich schon skeptisch werden müssen.
Auf Deutsch klingt das Ganze etwas weniger spektakulär: die Kohlsuppe! Und wie der Name schon vermuten lässt, isst man bei der Kohlsuppendiät nichts außer Kohlsuppe – auch wenn mir »alles außer Kohlsuppe« viel lieber gewesen wäre. Dafür darf man von dieser Gemüsesuppe so viel vertilgen, wie man nur irgendwie in sich hineinschlürfen kann. Und da Kohlsuppe kaum Kalorien oder Fett enthält, ist ein Gewichtsverlust mit dieser Diät praktisch vorprogrammiert.
Allerdings heißt es nicht umsonst: »Kohl macht hohl.« Denn diese Ernährung ist einseitig und die Versorgung mit wichtigen Nährstoffen absolut nicht gewährleistet. Die angepriesene starke Gewichtsabnahme beruht darauf, dass der Körper, bedingt durch die kalorienarme Ernährung, seinen eigenen Kohlenhydratspeicher angreift,
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