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Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank

Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank

Titel: Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn
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das reinste Desaster. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Höllenängste (vor allem wegen der bösen Hexe) und noch dazu schreckliches Heimweh und Sehnsucht nach Opi. Ich vermisste es, mit ihm durch den Garten zu flitzen (okay, er flitzte, ich rollte), Unkraut zu jäten und Bohnen zu pflanzen. Mein Opa liebte seinen Garten und brachte mir alles bei, was ich heute über Gartenarbeit weiß. Auch, dass man bereits geernteten und gewaschenen Spinat nicht wieder im Sandkasten eingräbt. Ich wollte so schnell wie möglich zurück, um zu sehen, ob aus den vergrabenen Apfelkernen tatsächlich ein Bäumchen geworden war.
    Aber ich konnte nicht weg. Ich saß fest. Und das Einzige, was mich bis dahin immer hatte trösten können, gab es nicht: leckeres Essen. Zum Frühstück bekam ich Salzwasser und Pfefferminztee (würg). Erst wenn das restlos ausgetrunken (oder unauffällig in die Topfpflanzen geschüttet) war, gab es »Frühstück«. Und was man da unter Frühstück verstand, hatte nichts mit den Lebensmitteln zu tun, die ich kannte. Es gab Grünzeug und Vollkornbrot. Da hätte ich ja noch lieber Weinbergschnecken gegessen.
    Natürlich war ich, wie immer, die Außenseiterin und meine ungeschickten Versuche, mich mit den anderen Kindern anzufreunden, endeten oft damit, dass irgendwer heulte. Meistens nicht ich, aber Schuld hatte ich immer. Mir fehlte einfach die Übung, was soziale Kontakte betraf, und gegen Geld Spielsachen zu verleihen, führte nicht gerade zu Freundschaftsangeboten.
    Ich war sozial inkompetent, hungrig, ängstlich, einsam, traurig und wütend, wurde krank und bekam hohes Fieber. Die Betreuer schickten mich nach nur zehn Tagen wieder nach Hause. Ihre Begründung: Heimweh. Das hätten wir wirklich abkürzen können.
    Zu Hause angekommen, war mir klar, warum ich so dringend von der Bildfläche hatte verschwinden sollen. Man hatte geahnt, dass Opas letztes Stündlein bald schlagen würde. Ich kam zu spät und war um die Chance betrogen worden, mich von meinem geliebten Opa verabschieden zu können. Er starb mit nur 63 Jahren nach drei Herzinfarkten. Und für mich ging damit nicht nur der bis dahin wichtigste Mensch aus meinem Leben, sondern auch eine wesentliche Informationsquelle verloren, die ich später gern zu verschiedenen Themen befragt hätte, wie zum Beispiel: »Du, Opa, ist Papa wirklich das Kind der Krankenschwester?«

WAS MICH NICHT UMBRINGT,
FRESS ICH AUF!
Gewicht: 28 Kilo
Gefühlslage: Erwachsen werden?
Ohne mich!
    Mit sechs Jahren war es vorbei, ob ich wollte oder nicht. Ich musste raus an die Front, weg vom heimischen Vanillepuddingherd. Ich wurde eingeschult. Stephanus-Grundschule Paderborn. Erstaunlich, aber dieses Ereignis lief ohne Zwischenfall ab. Vielleicht weil an diesem Tag ein anderes Kind die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog, als es sich vor Aufregung in die Hose pinkelte. Vielleicht aber blieb ich auch nur deshalb an diesem einen Tag unbemerkt und damit verschont, weil ich mich erfolgreich hinter meiner überdimensional großen Schultüte (prall gefüllt mit Süßigkeiten) versteckte und einen karierten Pullover trug. So kam wenigstens niemand auf die Idee, mich für einen Wal zu halten und wieder zurück ins Wasser zu ziehen.
    Aber bereits am zweiten Tag war es mit der Schonzeit vorbei. Meine Mitschüler hänselten mich nicht nur, weil ich speckig war, sondern auch – oder gerade –, weil ich immer noch in der Obhut meiner Oma war.
    Ja, meine Eltern waren schwer beschäftigt. Meistens aber nicht mit mir. Und meine Oma mästete mich nicht nur mit Pudding, sondern zog mich auch an wie ihre holländischen Puppen, von denen sie einige fast lebensgroße Exemplare hatte. Ich hasste Puppen im Allgemeinen und diese unheimlichen Gestalten im Besonderen, die überall in der Wohnung verteilt waren und mich aus allen Ecken mit ihren unbeweglichen Glupschaugen anstarrten. Ich für meinen Teil spielte lieber mit Masters of the Universe -Figuren oder Lego. Und wenn Oma nicht aufpasste, schnitt ich den Puppen gern mal die Haare. Ihr Outfit bestand aus geschmacklosen Rüschenkleidern und bunten holländischen Trachten. Meines auch. Es gab kein Entkommen. Oma war gnadenlos, nicht nur, was meinen Kleidungsstil betraf. So zwang sie mich auch im Freibad immer in das Schwimmbecken, das so niedrig war, dass ich es nie schaffte, mich komplett darin zu verstecken. Irgendetwas schaute immer raus: Bauch oder Po. Und mein hochroter Kopf. Aber Oma hatte kein Verständnis für mein Schamgefühl.

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