Stille Gefahr #2
war.
Es war hässlich gewesen.
Eine Riesenschweinerei.
Und schmerzhaft noch dazu.
Hatte Prather ihr im Weg gestanden?
Remy dachte an jenen Tag auf dem Marktplatz zurück. Irgendjemand hatte sie angerempelt und sie war gestolpert, gegen einen Pflanzenkübel gestoßen und hatte den halb vertrockneten Ficus darin umgeworfen. Dann hatte Prather sie gestreift. Da war sie ausgeflippt – offenbar hatte sie ein Problem mit Menschen in Uniform, das war nicht zu übersehen.
Zur Rekonstruktion des Tathergangs lagen Lena Riddles Aussage und die Quittungen von ihrem gemeinsamen Einkaufsbummel vor. Zeitlich haute es nicht hin. Laut Lena war Hope fast den ganzen Tag mit ihr zusammen unterwegs gewesen, dennoch … irgendetwas stimmte hier nicht, und er musste herausfinden, was das war.
Neugierig fragte er an Nielsons Hinterkopf gewandt: »Wie verhält sie sich in Ihrer Gegenwart?«
»Ruhig.« Der Sheriff sah kurz über die Schulter nach hinten. »Sie sagt fast nichts. Selbst wenn ihr Pflichtverteidiger da ist, will sie nicht reden. Nur während Lenas Krankenbesuchen macht sie wirklich den Mund auf – sie fragt viel nach Law, aber außer Lena erzählt ihr keiner was von ihm.« Der Sheriff seufzte.
Keith, einer von Remys zahllosen Cousins, warf ihm einen betrübten Blick zu. »Anscheinend mag sie keine Uniformen. Sie schaut mir nicht mal in die Augen – genauso wenig wie den anderen. Bei King ist sie auch ziemlich still, aber das ist wohl einfach ihre Art. In seiner Gegenwart scheint sie nicht so nervös zu sein wie in meiner.«
»Nervös?«, fragte Remy stirnrunzelnd. Er wusste bereits, dass Leute in Uniform ihr Angst einjagten – vor allem die Jungs in Blau und auch jene in hellbrauner Dienstkleidung, etwa die Bezirksdeputies. Aber er wollte Nielsons und Keith’ Meinung hören.
»Mensch, Remy, du weißt genau, was ich meine.« Keith zuckte mit den Schultern. »Du hast mit Sicherheit schon gemerkt, wie zappelig sie wird, wenn jemand in Uniform da ist. Da erzähl ich dir doch nichts Neues.«
Remy schaute den Gang hinunter. Keine sechs Meter entfernt stand ein uniformierter Officer vor Hopes Zimmertür.
Hope. Verdammt. Für ihn war sie schon nur noch Hope, nichts anderes.
Nicht die Verdächtige.
Nicht Miss Carson.
Nur Hope … mit den meergrünen Augen und langen, seidigen, braunen Haaren.
Hope.
Scheiße.
Scheiße.
Scheiße.
Er durfte sie in Gedanken nicht weiter Hope nennen. Die Frau wurde der gefährlichen Körperverletzung verdächtigt, und sie war schon früher psychisch labil gewesen. Doch er schaffte es einfach nicht, sie als Verdächtige zu betrachten.
Außerdem – auch wenn es zeitlich nicht passte, konnte er nicht ausschließen, dass sie Earl Prather umgebracht hatte oder zumindest irgendwie an dem Mord beteiligt gewesen war.
Sie stellte eine Gefahr dar, das musste er im Hinterkopf behalten.
Vielleicht war er hier der psychisch Labile.
Wäre er allein gewesen, hätte er kurz innegehalten, um sich im Stillen zu ohrfeigen und es sich noch einmal ganz fest vorzunehmen: Er durfte nicht über Hope Carson nachdenken, weder über ihr langes, seidiges Haar noch über ihre großen, traurigen Augen oder darüber, wie gern er sie an sich ziehen und ihr versprechen wollte, dass … was auch immer. Alles würde er ihr versprechen …
Tatverdächtig , rief er sich in Erinnerung.
Schlechtes Timing , meldete sich sein Sexualtrieb zu Wort – und da regte sich noch etwas in ihm … etwas, dem er lieber nicht auf den Grund ging. Sie war nicht in der Stadt, als Prather gestorben ist, schon vergessen? Sie hat ein Alibi.
Sicher, es war kein absolut wasserdichtes Alibi, aber es reichte auf jeden Fall, um Zweifel aufkommen zu lassen.
Und glaubst du wirklich, dass sie Reilly Schaden zufügen könnte? Sie himmelt ihn an, als wäre er eine Art Gott.
Sein gesunder Menschenverstand, der Anwalt und allerlei andere kontrollsüchtige Instanzen in ihm hielten dagegen: Schön, na und? Selbst wenn sie Prather nicht umgebracht haben sollte, ist sie mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit auf Reilly losgegangen. Ja, sie betet ihn an wie einen Gott. Was passiert also, wenn sie merkt, dass er gar nicht so anbetungswürdig ist – wenn er sie enttäuscht? Dann wird sie sauer.
Finde dich damit ab, Mann. Du kannst nicht scharf auf eine Frau sein, die nicht ganz richtig tickt.
Verflucht noch mal.
Gesunder Menschenverstand konnte einem ganz schön auf die Nerven gehen.
Remy glaubte fest an die Stimme der Vernunft. Er mochte sie. Er
Weitere Kostenlose Bücher