Stille Gefahr #2
dann.
»Sollte sie psychisch gestört sein, braucht sie wirklich Hilfe. Und dann würde ich ihr lieber diese Hilfe verschaffen, als sie einzusperren. Sie kennen sie sicherlich besser als jeder andere. Wenn sie Ihnen also am Herzen liegt, helfen Sie mir, ihr zu helfen. Kommen Sie, Detective. Als Polizist sind sie dazu verpflichtet, das Gesetz zu achten und Menschen zu beschützen. Wenn sich Ihre Frau als gefährlich erweisen sollte …«
»Ihr beschissenen Anwälte wisst immer genau, was ihr sagen müsst«, brummte Carson. Doch in seiner Stimme schwang keinerlei Wut oder Groll mit, lediglich Ermüdung. »Ja, man könnte sagen, sie hat eine aggressive Ader. Und es kam vor, dass sie gewalttätig geworden ist. Sie ist sehr manipulativ, und der Hang zur Gewalt nimmt zu, wenn sie ihren Willen nicht bekommt. Dann wird sie labil und unberechenbar. Schwer zu sagen, was sie einem Menschen antun könnte, von dem sie meint, dass er ihr im Weg steht.«
Unvermittelt verschwand der ruhige, sachliche Tonfall aus seiner Stimme, und Carson knurrte: »Bitte, jetzt habe ich Ihnen all die schmutzigen Details geliefert, die Sie hören wollten. Erzählen Sie mir nicht, Sie könnten damit nichts anfangen. Bei Gott, ich hasse mich selbst dafür, auch wenn ich weiß, dass sie Hilfe braucht. Und jetzt verraten Sie mir, was zur Hölle eigentlich los ist!«
Remy stieß einen Seufzer aus. »Momentan liegt sie im Krankenhaus – versuchter Selbstmord. Außerdem gab es einen Übergriff auf einen Freund von ihr. Wie’s aussieht, könnte sie es gewesen sein.«
»Scheiße.« Carsons Stimme klang barsch, Zorn und Kummer schwangen darin mit. »Sie hat schon früher versucht, sich umzubringen. Auch wenn ich das jetzt ungern höre, überrascht es mich kaum. Aber dieser Freund … Sie meinten, ein Freund von ihr wurde angegriffen?«
»Ja.« Remy starrte finster ins Leere. »Vielleicht sagt Ihnen sein Name etwas – anscheinend kennen die beiden sich schon ziemlich lange. Er heißt Law Reilly.«
»Reilly.« Carson ächzte. »Ja, ich kenne Law. Ich würde ja gern behaupten, es wundere mich, dass sie auf ihn losgeht, aber Hope hat sich schon immer gegen diejenigen gewendet, die ihr helfen wollten. Die sie gernhaben.«
Remy schloss die Augen.
Verflucht, hatte der Kerl irgendetwas zu sagen, das ihm irgendwie die Entscheidung, wie er mit Hope umgehen sollte, erleichtern würde?
Hätte er sie wegsperren wollen , dann wären ihm diese Neuigkeiten natürlich wie gelegen gekommen.
So wie die Sache lag, konnte er beinahe schon die Zellentür hinter ihr ins Schloss fallen hören, und bei der Vorstellung drehte sich Remy der Magen um. »Sie glauben also, sie könnte Mr Reilly etwas antun?«
»Bei Hope kann man es einfach nie wissen. Was ich weiß, ist, dass sie zu so ziemlich allem fähig ist. Und ich wünschte, ich könnte ihr helfen. Himmel, wie gern würde ich glauben, Sie könnten das. Aber ich bin machtlos, und ich glaube kaum, dass Sie etwas erreichen werden. Hope will keine Hilfe, sie sieht nicht ein, dass sie welche braucht. Hören Sie, wenn ich irgendwas tun kann, dann sagen Sie es nur. Auch wenn ich ihr keinen Ärger machen will, soll sie Hilfe bekommen, bevor es zu spät ist.«
Den Rest des Gesprächs bekam Remy kaum noch mit. Er hatte sich endlich eingestanden, dass er im Prinzip gerade die Beweise bekommen hatte, die er brauchte.
Hope Carsons Fingerabdrücke waren überall auf der Waffe gefunden worden, mit der Law Reilly zusammengeschlagen worden war.
Sie hatte sich die Pulsadern aufgeschlitzt.
Sie war bereits früher gewalttätig geworden.
War bereits früher auf Menschen losgegangen, die sie gernhatten.
Ihrem Exmann zufolge – der sie ebenfalls gernzuhaben schien – war sie manipulativ und neigte dazu, ihren Willen durchzusetzen, koste es, was es wolle.
Scheiße, Scheiße, Oberscheiße.
Statt sich zufrieden seine nächsten Schritte zu überlegen, ertappte er sich dabei, wie er an diese traurigen, traurigen grünen Augen dachte …
Scheiße.
Als Nia Hollister am Blue Grass Airport in der Nähe von Lexington landete, konnte sie vor Müdigkeit kaum noch die Augen offen halten, ihr Herz war schwer vor Trauer und am liebsten hätte sie sich in eine dunkle, stille Ecke gekauert und einfach nur … geheult.
Eigentlich war sie nicht der Typ, der einfach losweinte, aber diesmal war die Versuchung groß, beinahe überwältigend. Ab und zu spürte sie, dass die Tränen ihr wie ein dicker Kloß im Hals steckten. Und ein Schrei – ihrer
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