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Die Geliebte des Normannen

Die Geliebte des Normannen

Titel: Die Geliebte des Normannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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Prolog
    Winchester, 1076
    Wieder einmal konnte er nicht schlafen. Er lag da, die Wange auf seinen Strohsack gepresst, und lauschte dem Schnarchen der Ritter um ihn herum – und dem berauschten Gelächter und Geplänkel aus dem Obergeschoss.
    Er war erst seit drei Wochen am Königshof, noch nicht lange genug, um sein Zuhause zu vergessen und aufzuhören, sich nach den weiten Mooren Northumberlands oder der heimeligen Wärme des großen Saals von Aelfgar zu sehnen.
    Der kleine Junge zitterte, denn es war mitten im Winter, und er fror. Er versuchte, sich noch tiefer in das Stroh und die dünne Wolldecke zu kuscheln, die man ihm gegeben hatte. Er wollte nicht an Aelfgar denken, denn dann musste er auch an seine Brüder denken, und an seine Eltern. Und daran, wie sehr er sie vermisste. Wenn er nur das Bild seiner Mutter vergessen könnte, wie er sie zuletzt gesehen hatte. Als er inmitten der Männer des Königs fortritt, hatte Lady Ceidre ihm mit einem tapferen, aber gezwungenen Lächeln nachgewunken; er hatte die Tränen bemerkt, die ihr über die Wangen liefen, während sie lautlos weinte.
    Stephen schluckte. Noch immer drohte dieses Bild, das ihn verfolgte, ihn zu entmutigen.
    »Ein Mann weint nicht«, hatte sein Vater ernst bemerkt, als er ihn früher an jenem Tag seines Aufbruchs nach Winchester beiseite genommen hatte. »Es ist eine Ehre, am Hof des Königs aufgezogen zu werden, Stephen, eine große Ehre, und ich weiß, du wirst deine Pflicht tun, wie es einem Mann gebührt, und mich stolz machen.«
    »Ich verspreche es, Mylord«, erwiderte Stephen mit großer Entschlossenheit.
    Sein Vater ergriff ihn lächelnd an der Schulter, doch seine lebhaften, blauen Augen erreichte dieses Lächeln nicht. Sie waren unerklärlich traurig.
    Stephen hatte nicht mit der Einsamkeit gerechnet. Er hatte damals nicht verstanden, was es bedeutete, von daheim und der Familie getrennt zu sein. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass er sich so schrecklich nach zu Hause sehnen würde. Noch immer musste er sich unmännlichen Tränen geschlagen geben, auch wenn er es partout nicht wollte. Aber eines Tages würde er heimkehren und sein Erbe antreten, als erwachsener Mann, als Ritter mit Sporen, und sein Vater und seine Mutter würden stolz auf ihn sein.
    »Wach auf, Balg!«
    Stephen erstarrte. Duncan stand über ihn gebeugt, ein weiterer Junge, der am Königshof lebte. Duncan war ein paar Jahre älter als er, hatte es jedoch weitaus schwerer. Denn er wurde nicht nur am Hof von König Wilhelm erzogen – er diente auch als Geisel. Duncan war der Sohn des schottischen Königs aus dessen erster Ehe. Theoretisch sollte Schottlands König Malcolm nun, da König Wilhelm seinen Sohn Duncan in der Hand hatte, seine Feindseligkeiten gegen England beenden.
    Stephen bedauerte Duncan, aber der Junge war so widerlich, dass er es nicht fertigbrachte, ihn zu mögen. Und aus einem unerfindlichen Grund schien Duncan ihn auch zu hassen.
    Vorsichtig setzte sich Stephen auf und wischte sich Stroh von der Wange.
    »Der Prinz will dich sehen«, sagte Duncan. »Hast du geweint?«, höhnte er dann.
    Stephen versteifte sich.
    »Ich bin zu alt, um zu weinen«, erwiderte er verbissen und stand auf. Er war sechs. »Was will der Prinz?«
    »Weiß ich nicht«, antwortete Duncan, aber er grinste dabei hämisch.
    Ohne zu wissen warum, spürte Stephen ein Unbehagen in sich aufsteigen. Es machte ihm nichts aus, zum Prinzen gerufen zu werden. Rufus hatte sich bereits kurz nach seiner Ankunft mit ihm angefreundet; er war sein einziger Freund am Königshof. Da Stephen von allen Knaben der jüngste und die kürzeste Zeit bei Hofe war, ignorierten ihn die anderen Jungen, oder sie gängelten und neckten ihn. Sehr bald hatte er gelernt, wann er sich wehren sollte und wann es besser war, sich zurückzuziehen. Nun war er natürlich verwundert. Rufus hatte ihn noch nie zu sich rufen lassen, schon gar nicht mitten in der Nacht. Stephen machte lange Schritte, um mit Duncan mithalten zu können, als sie aus dem Saal gingen.
    Er fragte sich, wohin Duncan ihn wohl brachte, stellte aber keine Fragen. Vor der Abreise hatte sein Vater ihn ermahnt, genau zu beobachten, gut zuzuhören und möglichst wenig von sich selbst preiszugeben. Und niemandem zu vertrauen außer sich selbst. Bislang hatten die wenigen Wochen am Königshof den Wert des väterlichen Rates bestätigt.
    Am Eingang zum Stall angekommen, blieb Stephen wie angewurzelt stehen. Rufus war nicht allein dort, sondern mit

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