Stille Kuesse sind tief
Verächtlich fügte er hinzu: „Fool ʼ s Gold. Was für ein lächerlicher Name. Haben Sie sich die Stadt mal angeschaut? Sieht aus wie ein Ort aus den späten 60er-Jahren, wie man ihn im Fernsehen zeigen würde.“
„Keine Ahnung, ob das passt. Da gab es mich noch nicht.“
Zornig erwiderte Lewis: „Ich wollte damit nur sagen, dass die Stadt nichts für Annabelle ist. Da kann sie doch gar nicht glücklich werden.“
„Sie haben mit ihr in North Carolina gelebt?“
„Ja, in Raleigh. Ich besitze dort ein sehr hübsches Haus. Sehr ruhig gelegen und großzügig angelegt, hell und freundlich. Ich bin Schriftsteller.“
„Das erwähnten Sie schon.“
Shane musterte den anderen Mann und schätzte ihn auf Anfang vierzig. Er kleidete sich, als hätte er Geld, und für seinen Wagen hatte er auch ein hübsches Sümmchen hinblättern müssen. Shane fragte sich, ob sich Annabelle davon hatte beeindrucken lassen. Eigentlich hätte er vermutet, dass für sie der Charakter eines Menschen ausschlaggebend war, aber er hatte sich schon einmal getäuscht.
„Scheidungen sind hart“, meinte er. „Meine war schrecklich.“
Lewis schien sich wieder zu entspannen. „Unsere war sehr zivilisiert, aber unnötig. Das ist mir jetzt noch klarer als damals. Vielleicht hätte ich Annabelle ein wenig mehr Beachtung schenken sollen, obwohl das schwierig ist, wenn ich arbeite. Das Schreiben verlangt einem alles ab. Annabelle war immer für mich da. Hat sich um alles gekümmert. Sie hat meinen Terminplan verwaltet, sich um den Haushalt gekümmert. Als sie weg war, war niemand mehr da.“
Tja, so ist das, wenn das Personal abhaut, dachte Shane, ohne es jedoch laut auszusprechen.
Lewis starrte an ihm vorbei, als könnte er etwas sehen, was Shane nicht sehen konnte. „Sie ist so schön. Das hatte ich vergessen. Natürlich habe ich Fotos von ihr, aber die können die Lebendigkeit, die sie ausstrahlt, nicht einfangen. Dafür habe ich sie immer bewundert.“
„Sie arbeitet hier als Bibliothekarin“, erzählte Shane ihm.
„Ja, Annabelle hing schon immer an ihrem Job. Dieses Mal werde ich ihr klarmachen, dass ihre Arbeit nur hinderlich ist.“
„Sie erwarten, dass sie zu Ihnen zurückkommt?“
„Ja, deshalb bin ich doch hier. Wir sind noch immer verheiratet. Ihr Platz ist anmeiner Seite.“
Nur zu gern hätte Shane ihn darauf hingewiesen, dass Annabelle eine starke Bindung zu diesem Ort aufgebaut hatte und dass sie eifrig daran arbeitete, Geld für ihr Büchermobil zusammenzubekommen. Aber was war, wenn er sich irrte? Was war, wenn sie ihre vermeintliche Scheidung bereute?
Lewis blickte sich um. „Wenn sie nicht hier ist, dann will ich Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.“
„Kein Problem.“
Am liebsten hätte er noch mehr gesagt, hätte verkündet, dass Annabelle auf keinen Fall zu Lewis zurückkehren würde, aber er war sich nicht sicher. Und diese Unsicherheit hinterließ nagende Zweifel.
Er wartete noch so lange, bis Lewis verschwunden war, und ging dann hinüber zu Khatar, um ihn auf die Weide zu bringen, damit er sich frei bewegen konnte. Anschließend stieg er in seinen Wagen und fuhr in die Stadt. Jetzt war er es, der noch ein paar Fragen hatte, und er wusste genau, wo er die Antworten darauf bekommen würde.
„Ich hab dich eine Weile nicht gesehen.“
Annabelle blickte von ihrem Computer auf und entdeckte Shane, der an der Tür zu ihrem kleinen Büro stand. Wie immer beschleunigte sich ihr Puls, als sie ihn sah. In seiner abgetragenen Jeans und dem langärmeligen Hemd wirkte er ungemein attraktiv.
Sie deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und sicherte die Datei auf ihrem Computer. „Ich musste mich um ein paar persönliche Angelegenheiten kümmern“, erwiderte sie. „Wie du mitbekommen hast, ist mein Exmann leider immer noch Teil meines Lebens.“
„Ja, das habe ich gehört.“ Er blieb, wo er war, als würde er auf etwas warten. Offensichtlich war es mehr als eine Einladung, sich zu setzen.
Sie holte tief Luft. „Auch auf die Gefahr hin, dass das in die Kategorie ‚zu viel an Information’ fällt, würde ich gern festhalten, dass ich der Meinung war, die Scheidung wäre rechtskräftig. Das wollte ich damals, und das will ich auch heute noch. Lewis war ein Fehler, und ich bin sehr froh, dass unsere traurige Ehe hinter mir liegt.“
Eine Sekunde lang geschah nichts. Dann schenkte Shane ihr ein sexy Lächeln. „Ich hatte so meine Bedenken“, gab er zu, kam ins Zimmer geschlendert und
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