Stirb ewig
darum ersucht, es zu überprüfen.«
»Sie suchen als leitender Polizeibeamter also regelmäßig Hilfe in Schwarzer Magie?«
Ein hörbares Kichern ertönte im Saal.
»Als Schwarze Magie würde ich es nicht bezeichnen«, meinte Grace. »Ich nenne es eine alternative Ermittlungsmethode. Die Polizei hat die Pflicht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ein Verbrechen aufzuklären.«
»Also könnte man mit Recht behaupten, dass Sie ein Anhänger des Okkulten sind? Dass Sie an das Paranormale glauben?«
Grace schaute den Richter an, der ihn ansah, als stünde er nun selbst vor Gericht. Er suchte verzweifelt nach einer passenden Erwiderung, warf einen Blick zu den Geschworenen, dann zur Besuchergalerie und wandte sich wieder dem Kronanwalt zu. Und plötzlich hatte er sie gefunden.
Seine Stimme gewann an Nachdruck, klang nun schärfer und selbstsicherer. »Was verlangt das Gericht als Erstes von mir, wenn ich in den Zeugenstand trete?«
Bevor der Kronanwalt reagieren konnte, beantwortete Grace die Frage selbst. »Auf die Bibel zu schwören.« Er ließ seine Worte wirken.
»Gott ist ein übernatürliches Wesen – das übernatürliche Wesen schlechthin. Es wäre schon eigenartig, wenn ein Gericht von Zeugen verlangte, einen Eid auf ein übernatürliches Wesen abzulegen, wenn niemand in diesem Saal an das Übernatürliche glaubte.«
»Keine weiteren Fragen«, sagte der Kronanwalt und setzte sich.
Der Staatsanwalt, ebenfalls in Perücke und Robe, stand auf und wandte sich an Richter Driscoll. »Euer Ehren, diese Angelegenheit würde ich gern noch einmal unter vier Augen besprechen.«
»Sie ist ungewöhnlich«, sagte der Richter, »doch ich bin der Ansicht, dass sie zufriedenstellend geklärt wurde. Allerdings«, fuhr er mit einem Blick auf Grace fort, »möchte ich hoffen, dass die nächsten Fälle in meinem Gericht auf Beweisen und nicht auf irgendwelchem Hexengemurmel beruhen.«
Das Gelächter hallte im ganzen Saal wider.
Der Prozess wurde fortgesetzt und ein weiterer Zeuge der Verteidigung aufgerufen. Es handelte sich um einen Handlanger des Toten namens Rubiro Valiente. Roy Grace hörte zu, wie der Kleinkriminelle einen Haufen Lügen auftischte, die vom Staatsanwalt binnen Minuten zerpflückt wurden. Bis zur Mittagspause war das Gericht so fassungslos angesichts der dreisten Lügen, dass Roy Grace schon hoffte, sie würden die Sache mit dem Schuh verdrängen.
Doch die Hoffnung zerplatzte, als er in die Lewes High Street trat, um frische Luft zu schnappen und ein Sandwich zu kaufen. Gegenüber schrie es das Werbebanner des Argus, der Lokalzeitung, bereits heraus:
POLIZEIBEAMTER GESTEHT
OKKULTE PRAKTIKEN!
Plötzlich brauchte er ganz dringend einen Drink und eine Kippe.
10
DER HUNGER WOLLTE NICHT VERGEHEN, so sehr Michael ihn auch zu verdrängen suchte. Ein steter dumpfer Schmerz, als nagte etwas von innen an seinem Magen. Sein Kopf war seltsam leicht, seine Hände zitterten. Er dachte ständig an Essen, an saftige Burger mit knusprigen Pommes und Ketchup. Als er dieses Bild beiseite schob, trat der Geruch von gegrillten Flusskrebsen an dessen Stelle; dann folgten gedünstete Maiskolben, Grillchampignons und gebratene Eier mit Würstchen. Krosser Speck.
Der Deckel schien ihn niederzudrücken, und er geriet wieder in Panik, schnappte nach Luft, sog sie gierig durch den Schlauch ein. Er schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, alles sei gut, er schaukle auf einer Jacht im warmen Mittelmeer. Doch die Seiten des Sarges kamen immer näher. Es wurde enger und enger. Er tastete nach der Taschenlampe auf seiner Brust und schaltete sie ein. Die Batterie ließ nach, das Licht wurde schwächer. Vorsichtig und mit zitternden Fingern schraubte er die Whiskyflasche auf und setzte sie an die Lippen. Dann nahm er einen winzigen Schluck, ließ die Flüssigkeit in seinem ausgedörrten, klebrigen Mund kreisen, kostete jeden Tropfen aus, genoss jede Sekunde. Die Panik legte sich, sein Atem ging wieder ruhiger.
Als sich einige Minuten später das warme Brennen in Kehle und Magen gelegt hatte, konzentrierte er sich darauf, die Flasche wieder zuzuschrauben. Noch halb voll. Ein Schluck, immer zur vollen Stunde.
Ein fester Ablauf.
Er schaltete die Lampe aus, um die restliche Energie zu sparen. Jede Bewegung strengte ihn aufs Äußerste an. Seine Gliedmaßen waren steif, er zitterte vor Kälte, dann wieder brach ihm klammer, fiebriger Schweiß aus. Sein Kopf hämmerte unablässig – er
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