Stirb ewig
heimzahlen, die er den Jungs vor der Hochzeit gespielt hat.« Sie wich einen Schritt zurück, schob sich das Haar aus dem Gesicht, und Mark sah, dass ihre Wimperntusche zerlaufen war.
»Vielleicht haben die Jungs es sich in letzter Minute anders überlegt«, meinte er. »Klar, die hatten alle möglichen Ideen, wollten ihm was in die Drinks tun und ihn in irgendeinen Flieger setzen, aber das konnte ich ihnen dann doch noch ausreden – dachte ich jedenfalls.«
Sie lächelte dankbar.
Er zuckte die Achseln. »Ich weiß, dass du Angst hattest, wir könnten etwas Dummes anstellen.«
»Stimmt, ich war total verzweifelt.« Sie warf einen Blick auf die Schwester und zog die Nase hoch. »Wo ist er also?«
»Er war definitiv nicht im Wagen?«
»Auf gar keinen Fall. Ich hab die Polizei angerufen – sie sagen – sie sagen – sie – « Sie brach in Tränen aus.
»Was haben sie gesagt?«
»Dass sie nichts unternehmen«, platzte sie zornig heraus. Dann schluchzte sie weiter, rang um Fassung.
»Sie sagen, er schläft vermutlich irgendwo seinen Rausch aus.«
Mark wollte warten, bis sie sich beruhigt hatte, doch sie weinte weiter. »Vielleicht haben sie ja Recht.«
Ashley schüttelte den Kopf. »Er hatte mir versprochen, sich nicht zu betrinken.«
Mark sah sie fragend an.
»Es war sein Junggesellenabschied. Das macht ihr doch bei solchen Feiern, oder? Euch sinnlos besaufen.«
Mark schaute hinunter auf die grauen Teppichfliesen. »Gehen wir zu Zoe.«
Ashley folgte ihm mit einigem Abstand. Zoe war eine schlanke Schönheit und wirkte noch schlanker, als er ihr die Hand auf die Schulter legte und die Knochen unter dem weichen Stoff der Designer-Joggingjacke spürte.
»Mein Gott, Zoe, es tut mir so Leid.«
Sie zuckte leicht die Achseln.
»Wie geht es ihm?« Mark hoffte, die Sorge in seiner Stimme möge überzeugend klingen.
Zoe drehte sich um und sah ihn an, mit rot geweinten Augen und Tränen auf den ungeschminkten Wangen, die beinahe durchscheinend wirkten. »Sie können nichts für ihn tun. Sie haben ihn operiert, jetzt können wir nur abwarten.«
Mark stand reglos da und schaute auf Josh hinunter, der mit geschlossenen Augen dalag. Sein Gesicht war mit Blutergüssen und Risswunden übersät, das Bett von medizinischen Geräten umgeben. Ein Infusionsschlauch führte in seine Hand, ein undurchsichtiger Schlauch in seine Nase. Sein Mund war von einem dicken Beatmungsschlauch geweitet. Drähte ragten unter der Decke und aus seinem Kopf hervor, die mit Digitalanzeigen und krakeligen Kurven verbunden waren. Das bisschen Haut, das zu sehen war, wirkte alabasterweiß. Sein Freund sah aus wie ein Versuchstier im Labor.
Doch Mark schaute Josh kaum an, sondern betrachtete die Anzeigen, wollte sie deuten. Er dachte daran, wie er in demselben Raum neben seinem sterbenden Vater gestanden hatte, und versuchte sich zu erinnern, wo EKG, Sauerstoffsättigung und Blutdruck angezeigt wurden und was das alles bedeutete.
Und er überlegte. Josh hatte es immer leicht gehabt. Er sah gut aus, hatte reiche Eltern. Er redete über Versicherungen, rechnete andauernd, alles war vorgezeichnet, er kam ihnen ständig mit Fünfjahresplänen, Zehnjahresplänen, Lebenszielen. Er hatte als Erster geheiratet, weil er früh Kinder wollte, damit er sein Leben noch genießen könnte, wenn sie größer wären. Er fand in der süßen, reichen Zoe die perfekte Frau, die zudem fruchtbar war und ihm half, seinen Plan zu verwirklichen, indem sie in schneller Folge zwei ebenso perfekte Babys lieferte.
Mark sah sich auf der Station um, musterte Schwestern und Ärzte, merkte sich ihre Positionen und ließ seinen Blick zu dem Infusionsschlauch wandern, der in Joshs Handrücken führte. Gleich neben dem Plastikband mit seinem Namen. Seine Augen wanderten zum Beatmungsgerät, dann zum EKG. Wenn der Herzschlag zu langsam wurde oder die Sauerstoffsättigung nicht mehr in Ordnung war, erklang ein Warnton.
Falls Josh überlebte, hätte er ein Problem – das hatte Mark fast die ganze Nacht beschäftigt, und er war zögernd zu dem Schluss gelangt, dass er dieses Risiko nicht eingehen konnte.
9
DER GERICHTSSAAL I des Crown Court in Lewes schien Roy Grace eigens dazu entworfen worden zu sein, um die Leute einzuschüchtern und zu beeindrucken, obwohl er im Grunde kein größeres Gewicht als die übrigen Säle im Gebäude besaß. Der georgianische Raum hatte eine hohe, gewölbte Decke, eine Besuchergalerie, alte Eichentäfelung, Sitzbänke und
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