Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
Vom Netzwerk:
ausgebrochen war.
    »Wie das Haus der Geheimnisse «, sagte Cam und bereute seine Worte sofort.
    Gav drehte sich zu ihm um, die Lippen zu einem spöttischen Grinsen verzogen. »Das was?«
    Cam begann zu stammeln. »D-d-das Haus der Geheimnisse . Das ist aus einem Comic.«
    »Bist ’n bisschen zu alt für Comics, oder?«
    Cam wurde rot. »Den hab ich als Kind gelesen. Das war ein … ein Gruselcomic. Da gab es diese zwei Brüder. Kain und Abel. Abel hat im Haus der Geheimnisse gewohnt und Kain im Haus der Mysterien. Und dazwischen lag ein Friedhof.« Zögernd hielt er inne. Gav sagte nichts, also redete er weiter. »Kain hat Abel andauernd umgebracht, aber im nächsten Heft war er dann immer wieder lebendig.«
    Er rechnete damit, dass Gav ihn niedermachen würde. Sich totlachen. Aber das tat er nicht.
    »Kain und Abel«, meinte Gav. »Die sind aus der Bibel. Der erste Mörder und das erste Mordopfer.«
    Cam sah ihn verblüfft an.
    »Was? Nur weil ich Häuser abreiße, muss ich ja wohl kein Vollidiot sein.« Gav wandte den Blick ab und spähte durch den Zaun zum Weg.
    »He, sieh mal«, sagte er und zeigte mit dem Finger. Er lachte. »Da drüben steht noch eins. Muss dein Haus der Mysterien sein.«
    Cam folgte seinem Blick. Gav hatte recht. Ein Stück den Weg entlang stand ein zweites Gebäude, das sogar noch baufälliger war. Es schien sich um alte Reihenhäuser zu handeln, allesamt verrammelt, abbruchreif und von Grün überwuchert. Verlassen. Unheimlich. Selbst die Graffiti an den Wänden sahen irgendwie halbherzig aus.
    Und dazwischen , dachte Cam, der Friedhof .
    »Gruselig«, meinte er. »Findest du nicht? Als … als wäre da irgendwas passiert.«
    »Glaubst du, da ist ’n alter Indianerfriedhof, oder was?«, lachte Gav. »Du bist echt zu sensibel. Spinner.« Er zog lautstark die Nase hoch. »Komm jetzt«, meinte er dann. »Wird Zeit, dass wir loslegen. Wenn du nicht langsam mal in die Gänge kommst, kriegen wir Ärger. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Los, lass uns reingehen.«
    Gav ging an Cam vorbei auf die mit Brettern vernagelte Haustür zu. Als Cam ihm widerstrebend folgte, sah er etwas in Gavs Miene, das er dort noch nie gesehen hatte. Etwas, über das die markigen Sprüche und das Gepolter nicht hinwegtäuschen konnten.
    Angst.
    2 Aus nächster Nähe sah das Haus noch baufälliger und noch unheimlicher aus.
    Die hintere Seite war komplett mit Plastikplanen verhängt. Im Laufe der Zeit hatten sich die Ränder der Planen von Holz und Mauerwerk gelöst, so dass es jetzt so aussah, als hinge dort eine Reihe von Kutten an der Wand, die darauf warteten, im Rahmen einer schwarzen Messe getragen zu werden.
    Erneut überlief Cam ein Schauer.
    Zwischen den Planen waren die Überreste einer Tür zu sehen. Der Türstock war durch die vom Boden aufsteigende Feuchtigkeit verrottet, der Anstrich abgeblättert und verwittert. Die Tür selbst machte auch keinen sehr stabilen Eindruck. Das Holz, das unter der blätternden Farbe zum Vorschein kam, sah aus wie Weizenschrot.
    »Na los, mach sie auf«, ertönte Gavs Stimme hinter Cam.
    Cam griff nach dem Türknauf und versuchte die Tür aufzudrücken. Ohne Erfolg. Er versuchte es erneut, diesmal ein wenig beherzter. Die Tür bewegte sich keinen Zentimeter. Ein dritter Versuch, Cam legte noch mehr Kraft hinein. Nichts. Er ließ von der Tür ab und drehte sich zu Gav um. Hoffte, dass die Sache damit abgehakt war und sie gehen konnten. Zurück in die Sonne, wo es warm war.
    Aber Gav dachte nicht daran. »Schwächling. Hier, lass mich mal.«
    Er drehte am Knauf und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür. Nichts. Da packte ihn die Wut, die in seiner steroidvernebelten Psyche immer dicht unter der Oberfläche brodelte. Er wurde rot im Gesicht, und die Muskeln in seinen Armen schwollen an. Er nahm einen Schritt Anlauf und rammte die Tür mit seiner Schulter. Ein Splittern war zu hören, aber das Türblatt hielt. Das Geräusch allerdings war Ermutigung genug. Gav versuchte es ein zweites Mal. Und ein drittes.
    Die Tür leistete erbitterten Widerstand, aber irgendwann gab sie, begleitet vom Knirschen und Krachen zerberstenden Holzes, schließlich nach.
    Gav stand vornübergebeugt, die Hände auf die Knie gestützt, und japste.
    »Na los, Junge … rein mit dir …«
    Cam sah zwischen Gav und der Dunkelheit im Innern des Hauses hin und her. Widerstrebend gehorchte er.
    Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen nach der hellen Morgensonne an die Düsternis gewöhnt

Weitere Kostenlose Bücher